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Ein lauer Sommerabend in Euskirchen

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Benny Blinder ging ein Risiko ein. Er organisierte eine Oper Air Boxveranstaltung. Und dieser Mut wurde belohnt. Das Wetter war schon mal ideal. Und der Austragungsort, das schöne Erftstadion, war gut gewählt. Der überdachte Ring war vor der Tribüne aufgebaut. Links und rechts waren VIP Tische und dahinter noch zusätzliche Stuhlreihen und Stehtische aufgestellt. Es kamen schätzungsweise 2.000 bis 2.500 Zuschauer. Zu sehen gab es insgesamt 11 Kämpfe, davon fünf Profiboxkämpfe.
Den Anfang machten bei den Profis Hayk Harutyunyan (7 Kämpfe, 5 Siege, 4 durch KO, 2 Niederlagen) und Nazar Thiaka (3 Kämpfe, 1 Sieg, 2 Niederlagen) mit einem Vierrunder im Mittelgewicht. Harutyunyan besetzte die Ringmitte und begann die Jagd. Er schob sich hinter seiner Doppeldeckung an Thiaka heran und deckte ihn, wenn er die Möglichkeit sah, mit Kombinationen ein. Dabei waren seine Körperhaken besonders schön. Thiaka lief an den Seilen entlang und hielt manchmal dagegen. Harutyunyan suchte den KO und Thiaka versuchte zu punkten. Es sah so aus, als würde sich die Angelegenheit eindeutig und einseitig entwickeln. Aber weit gefehlt. Ab der zweiten Runde brachte Thiaka mehr Hände ins Ziel, während die Powerpunches von Harutyunyan ihr Ziel nicht fanden. In der dritten Runde erhöhte Thiaka das Tempo und Harutyunyan machte noch weniger. In der vierten Runde versuchte nun Harutyunyan den Kampf zu drehen. Er machte aber zu wenig und verließ sich darauf, mit seinen Haken zum Kopf den Kampf vorzeitig entscheiden zu können. Aber die trafen ihr Ziel nicht. Einstimmiger Punktsieger (37:39, 37:39 und 37:39): Nazar Thiaka – eine Überraschung.
Im Schwergewicht trafen Andy Höschler (2 Kämpfe, 2 Siege, 2 durch KO) und Samuel Zade (8 Kämpfe, 2 Siege, 2 durch KO, 6 Niederlagen. 6 durch KO). Die beiden Kontrahenten tasteten sich zunächst gegenseitig ab. Es war aber schon nach wenigen Sekunden klar, dass Höschler der bessere Techniker war. Er boxte abgeklärt und systematisch. Zade versuchte, aus dem Gefahrenbereich raus zu kommen und mit Schwingern zu beeindrucken. Am Ende der Runde ging Zade nach einer Schlagkombination zu Boden und der umsichtig agierende GBA Ringrichter Mike Wissenbach zählte bis acht. Nur wenige Sekunden später war die Runde zu Ende und damit auch der Kampf. Zur nächsten Runde trat Zade nämlich nicht mehr an. Er hatte sich die rechte Hand verletzt. Sieger durch TKO in Runde 2: Andy Höschler.

(C) Dominique Tabatabaei


Simon Krebs und Michael Klempert (26 Kämpfe, 2 Siege, 2 durch KO, 21 Niederlagen, 15 durch KO, 3 Unentschieden) bestritten im Halbschwergewicht einen Vierrunder. Krebs, der Debütant, machte seine Sache zunächst gut. Er boxte ruhig und locker an. Wenn er mit seiner Schlaghand durchkam, überhastete er nichts, sondern boxte ruhig weiter. In der ersten Runde gab es insgesamt nur wenige Aktionen. In der zweiten Runde erhöhten beide Boxer das Tempo, wodurch es zu mehr Schlagabtäuschen kam. Die meisten von ihnen konnte Krebs für sich entscheiden. Hinzu kamen Junikäfer, Verwandte der Maikäfer, die vom Licht angelockt, die Boxer ein wenig irritierten. In der dritten Runde machte Klempert mehr Druck und stellte Krebs immer wieder. Der bekam denn auch mehr und mehr Schwierigkeiten. Der Ringrichter Timo Hoffmann hatte praktisch nichts zu tun gehabt. Die vierte Runde dann dominierte Klempert. Am Ende stand eine einstimmiges und gerechtes Unentschieden (38:38, 38:38 und 38:38).
Es folgte ein Achtrunder im Schwergewicht, in dem sich Hussein David Mohammed (12 Kämpfe, 12 Siege 11 durch KO) und Hasan Kurnaz (11 Kämpfe, 5 Siege, 5 durch KO, 6 Niederlagen, 6 durch KO) ihre Kräfte und ihr Können miteinander maßen. Die Junikäfer hatten inzwischen, unter Zurücklassung von knapp einem Dutzend zertretener Artgenossen, fast alle den Rückzug angetreten. Mohammed boxte überlegen, machte aber wenig. Er nutzte seinen Reichweitenvorteil und spielte mit seinem Gegner. Zur zweiten Runde wollte Kurnaz, aufgrund einer Verletzung, nicht mehr antreten. Sieger durch TKO in Runde 2: Hussein David Mohammed.

(C) Dominique Tabatabaei


Den Hauptkampf des Abend bestritt der Veranstalter Benjamin Blindert (11 Kämpfe, 11 Siege, 9 durch KO). Er traf auf Vito Vendetta (21 Kämpfe, 13 Siege, 8 durch KO, 7 Niederlagen, 3 durch KO, 1 Unentschieden). Es ging um den vakanten Intercontinental Titel im Halbschwergewicht der GBC. Blindert beherrschte die Ringmitte und trug Vendetta den Kampf an. Dabei zeigte er eine sehr schöne schnelle lange Führhand, mit der er punktete. Vendetta machte sich klein, wich aus und versuchte es mit Überfällen. Nach einer verhaltenen ersten Runde nahm der Kampf im zweiten Durchgang etwas an Fahrt auf. Blindert kam mehrfach mit seiner Rechten durch und Vendetta versuchte, mehr zum Körper zu gehen. In der dritten Runde gelangen Vendetta zwei Aktionen, bei denen er Blindert jeweils mit einem Schlaghagel überraschen konnte. Die nächste Runde dominierte wieder Blindert. Zweimal kam er schön mit dem rechten Cross durch. Zu Anfang der fünften Runde machte Blindert Vendetta stark, indem er in der Halbdistanz blieb. Auch den Rest der Runde konnte er nicht dominieren. In der folgenden Runde wurde der Kampf härter und Ringrichter Arno Pockrandt bekam mehr zu tun. Beide Boxer waren nicht mehr so frisch wie anfangs. Die Abtauche wurden verbissener. Am Ende der siebten Runde nahm Blindert eine Rechte zum Kinn und es sah so aus, als hätte es in seinem Kopf geblitzt. In der achten Runde wurde es noch mal härter. Vendetta hatte seine Momente, wenn er es schaffte, die Distanz zu verkürzen und mit Haken und Schwingern zu punkten. Blindert hatte seine Aktionen, wenn er mit der Führhand seinen Gegner stellte und mit seiner Schlaghand zum Kopf oder Körper nachzog. Mitte der neunten Runde fand sich Vendetta, nach einer Rechten zum Kopf, dann am Boden wieder. Vendetta kam stürmisch zurück in den Kampf, wurde aber immer wieder abgekontert. Auch in der zehnten und letzten Runde suchte Vendetta den KO, fand ihn aber nicht, weil Blindert zu gut boxte. De Punkrichter werteten: 99:90, 98:91 und 97:91. Einstimmiger Punktsieger: Benjamin Blindert.
Benny Blindert hat den Zuschauern in Euskirchen an einem lauen Sommerabend eine schöne Abendunterhaltung geboten. Man kann nur hoffen, dass es bald wieder einen solchen Abend geben wird.
© Uwe Betker

Ein großer Kampfabend in Heerlen

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Heerlen ist – ich werde es nicht müde zu wiederholen – ein sehr guter Ort fürs Profiboxen. Regelmäßig gibt es hier die Veranstaltungen von Patrick Driessen – und dessen Name steht für Qualität. So ist es nicht verwunderlich, dass die Show am 15.09.2018 im Cultureel Centrum Corneliushuis wieder einmal richtig gut war. Neun Amateurkämpfe und sechs Profikämpfe waren zu sehen.

Den Anfang bei den Profis machten Julaidan Abdul Fatah und Daniel Botlik (60 Kämpfe, 7 Siege, 2 durch KO, 50 Niederlagen, 18 durch KO, 3 Unentschieden) im Super Mittelgewicht. Der Debütant aus Saudi Arabien, der seinen ersten Boxkampf überhaupt bestritt, war physisch sehr stark und dominierte die erste Hälfte der ersten Runde. In der zweiten Hälfte machte er weniger Druck; so wurde Botlik stärker und hielt dagegen. Anfang der zweiten machte Fatah wieder mehr Druck. Er trieb seinen Gegner vor sich her. Eine schöne Rechte zur Schläfe schickte Botlik zum ersten Mal auf die Bretter. Danach suchte  er den vorzeitigen Sieg. Er stellte sein Gegenüber in seiner eigenen Ecke, ließ ihn nicht mehr raus und deckte ihn mit Schlägen ein. Nach mehreren Treffern ging Botlik wieder runter. Er stellte sich zwar noch einmal zum Kampf, aber er lief in einen Konter rein, ein linker Kopfhaken, der ihn erneut zu Boden zwang. Der Ringrichter hatte genug gesehen und winkte den Kampf ab. Sieger durch TKO in Runde 2, nach 2 Minuten und 3 Sekunden: Julaidan Abdul Fatah.

Dann stiegen im Weltergewicht Xavier Kohlen und Dijby Diagne (7 Kämpfe, 3 Siege, 1 durch KO, 4 Niederlagen, 2 durch KO) in der Ring. Für einen Vierrunder war dieser Kampf außerordentlich gut. Zwar machte der Debütant Kohlen den Kampf, aber Diagne hielt dagegen. Kohlen boxte mehr, Diagne fightete mehr. In der zweiten Runde errang Kohlen die Oberhand. Er bestimmte mit seiner steifen Führhand das Geschehen und punktete immer wieder schön mir seiner Rechten als Graden oder Cross. In der dritten Runde kam Diagne auf. Kohlen machte zu wenig. Gegen Ende der Runde kam Kohlen dann mit einer Rechten zum Kopf durch, die sein Gegenüber erschütterte. Kohlen versuchte nun, ihn zu finishen, wobei er aber etwas überhastet ans Werk ging. Dennoch kam er mehrfach mit schweren Händen durch. Was nun folgte, war kurios. Diagne hatte bei einem der Treffer, die er nehmen musste, seinen Zahnschutz verloren: Der war irgendwo ins Publikum geflogen. Diagnes Ecke hatte keinen Ersatzschutz dabei. Nach langem Suchen brach der Ringrichter den Kampf ab. Sieger durch Disqualifikation in Runde 4: Xavier Kohlen. – Noch im Ring wurde ein Rückkampf angekündigt.

Den dritten Kampf des Abends, einen Sechsrunder, bestritten Timo Rost (5 Kämpfe, 5 Siege, 2 durch KO) und Jann Kulik (2 Kämpfe, 1 Sieg, 1 durch KO, 1 Niederlage) im Super Mittelgewicht. Beide gingen ein extrem hohes Tempo. Sie zeigten technisch gutes Boxen. Es gab viele harte Schlagabtäusche. Der Kampf wurde extrem intensiv geführt, wobei die erste Runde etwas hektisch war. Die folgenden Runden wurden ruhiger, aber nicht langsamer, geführt. In den ersten beiden Runden hatte Rost immer eine Hand mehr im Ziel. Die folgenden Runden gingen hin und her. Kulik trug Rost den Kampf immer und immer wieder an und Rost nahm an. Der Kampf blieb bis zur letzten Sekunde spannend und begeisterte das Publikum. Die Punkrichter des niederländischen Boxverbandes werteten: 58:56, 58:56 und 59:55. Einstimmiger Punktsieger: Timo Rost.

Der folgende Schwergewichtskampf zwischen Ricardo Snijders (14 Kämpfe, 14 Siege, 5 durch KO) und Paul Zummach (5 Kämpfe, 3 Siege, 1 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO) war auf acht Runden angesetzt. Beide Boxer zeigten gutes technisches Boxen. Snijders boxte systematisch und abgeklärt. Er dominierte aufgrund seiner Technik. Ende der vierten Runde kam Snijders mehrfach mit schönen harten Schlägen durch. Zur Runde fünf trat Zummach nicht mehr an. Sieger durch TKO: Ricardo Snijders.

Der vorletzte Kampf des Abends, ein Sechsrunder mit Andranik Mirzoyan (6 Kämpfe, 4 Siege, 4 durch KO, 1 Niederlagen, 1 durch KO, 1 Unentschieden) und Nassar Bukenya, hielt eine faustdicke Überraschung für die Zuschauer bereit. Der ungeschlagene Mirzoyan war von Anfang an auf einen KO aus. Jede seiner Aktionen wollte nur ein KO-Schlag sein. In der ersten Runde gab es nur wenige Aktionen, was sich aber mit zunehmender Kampfdauer änderte. Am Ende der zweiten sah es auch tatsächlkich danach aus, dass  Mirzoyan vorzeitig gewinnen könnte. In der folgenden Runde hatte aber Bukenya, der Debütant aus Uganda, seine Momente. In der vierten Runde boxte Mirzoyan überhaupt nicht mehr an, wodurch er immer mehr Schläge nahm. Am Ende der Runde wurde er dann an den Seilen gestellt  und nahm viele Volltreffer zum Kopf. Torkelnd und mit wackeligen Knien ging er in seine Ecke zurück. In die fünfte Runde versuchte er mit einem verzweifelten Schlaghagel seine Schwäche zu kaschieren. Aber er erzielte keine Wirkung. Ihm wurde noch etwas Zeit geschenkt, weil sich das Tape von seinem Handschuh gelöst hatte. Aber nach dieser Pause nahm er Treffer um Treffer zum Kopf. Erst wurde Mirzoyan im Stehen angezählt und dann vom Ringrichter aus dem Kampf genommen. Sieger durch TKO in Runde 5, nach 2 Minuten 13 Sekunden: Nassar Bukenya.

Im Hauptkampf des Abend boxten Gevorg Khatchikian (30 Kämpfe, 28 Siege, 14 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO) und Volodymyr Romanenko (16 Kämpfe, 8 Siege, 7 durch KO, 8 Niederlagen, 5 durch KO) um den BeNeLux Titel im Mittelgewicht. Auch Khatchikian ging auf den KO aus, aber er boxte an. Er trieb sein Gegenüber unaufgeregt vor sich her und verteilte gut. Ende der Runde hatte er Romanenko in einer neutralen Ecke, wo er ihn mit einer brutalen Rechten zum Körper von den Beinen holte. Es sah so aus, als hätte er ihm eine oder mehrere Rippen gebrochen. In der zweiten Runde stellte Khatchikian Romanenko an den Seilen und schickte ihn wieder mit einer brutalen Rechten zum Körper zu Boden. Der Ringrichter brach den Kampf an dieser Stelle ab. Es war eine beeindruckende Demonstration der boxerischen und physischen Qualität von Khatchikian. Sieger durch TKO in Runde 2, nach 1 Minute und 6 Sekunden: Gevorg Khatchikian.

Mal wieder habe ich eine richtig gute Veranstaltung in Heerlen gesehen und ich freue mich schon auf die nächste.

© Uwe Betker

Ein Versuch, die Krise des deutschen Profiboxens einzuordnen

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In der achten und neunten Klasse hatte ich einen Sozial- und Wirtschaftskundelehrer, der nicht müde wurde zu erklären: „In der Freien Marktwirtschaft wird über Angebot und Nachfrage bestimmt, ob etwas produziert wird, wie viel produziert wird und zu welchem Preis es verkauft wird.“ Nun ist Profiboxen, mal ganz unsentimental betrachtet, ein Produkt wie jedes andere auch und als solches muss es erstmal am Markt bestehen. Daher kann man auch die entsprechenden Kriterien hier zur Anwendung bringen.

Die Ware Profiboxen ist nun in Deutschland in einer tiefen Krise. Seine Qualität kann man als mäßig bezeichnen. Die Nachfrage ist gering und der Preis auch. Das war „in der guten alten Zeit“ auch mal ganz anders. Ab 1990 boxte Henry Maske für Wilfried Sauerland, der dadurch etwas schuf, das man „Boxen Made in Germany“ nennen könnte. Sauerland hatte mit Maske, Axel Schulz, Markus Beyer und Sven Ottke ein deutsches Produkt, deutsche Helden, für den deutschen Absatzmarkt. Es wurde die Marke von 18 Millionen bei den Einschaltquoten geknackt und man erreichte zwischenzeitlich einen Marktanteil von über 73 Prozent.

Im Zuge der hohen Nachfrage wurden auch andere Veranstalter groß, wie Universum Box-Promotion. Universum konzentrierte sich auf osteuropäische Boxer, denen man allerdings z. T., zwecks besserer Vermarktbarkeit, deutsche Namen gab. Die großen TV Sender wie RTL, das Erste und ZDF übertrugen Profiboxen. Und hierzulande wurden mit den Klitschko-Brüdern Boxer, die das Schwergewicht lange Zeit prägten, aufgebaut. Das Boxen Made in Germany war zu einem gewinnträchtigen Premiumprodukt geworden.

Dann kam es zu einer klassischen Überproduktionskrise. D.h. der Widerspruch zwischen den Produktionsgewinnen der Veranstalter und dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion wurde offensichtlich. Die Veranstalter bauten immer mehr Boxer auf, die sie als vermeintliche Jahrhundertboxer, Nachfolger von X, Nachfolger von Y  usw. bewarben. Zwar stieg die Anzahl der Boxer bei den großen Veranstaltern mit TV-Verträgen, aber die Qualität sank. Dies blieb sowohl beim Publikum als auch bei den TV-Sendern nicht unbemerkt. Einer nach dem anderen verabschiedeten sich alle großen Sender vom Boxen. Der Markt bereinigte sich. Universum verschwand ganz. Sauerland Promotion verfolgte eine andere Strategie. Unprofitable Standorte wurden geschlossen und Angestellte wurden, um Kosten zu senken, entlassen. Man konzentrierte sich auf profitablere Absatzmärkte. Stichworte: Skandinavien und World Boxing Super Series.

Der deutsche Absatzmarkt scheint im Augenblick für Sauerland kaum noch von besonderem Interesse zu sein. Die Einschaltquoten kann man nur noch mäßig nennen und das Interesse des Publikums vor Ort ist schlecht. Vermutlich will man auch gar nicht mehr Zuschauer in den Hallen haben. Selbst bei einer Vervierfachung der Zuschauerzahl würde man auf kein Interesse stoßen.

Die verbliebenen Konkurrenten von Sauerland haben mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Boxen ist zu einer Randsportart verkommen und kaum noch zu vermarkten. Selbst SES, das einen Vertrag mit dem MDR hat und damit der größte Konkurrent ist, hat wohl keinen Boxer in ihren Reihen, der mehrere Millionen Zuschauer vor die Fernsehgeräte locken könnte.

Das Grundproblem des Profiboxens in Deutschland kann man so beschreiben, dass das Angebot offensichtlich nicht so aussieht, dass es eine große Nachfrage nach sich zöge. Dabei ist es durchaus nicht so, dass es in Deutschland nicht genug gute Boxer oder neue Konzepte gäbe. Das Problem scheint  eher zu sein, dass die etablierten Veranstalter keinen Input von außen annehmen können. Würden sie das nämlich tun, so verhielten sie sich zwar professionell, müssten sich dann aber solche Fragen stellen wie: Wieso habe wir diesen Boxer übersehen? Wieso haben wir nicht diesen Trainer unter Vertrag? Wieso hatten wir nicht die Idee?

Wir dürfen gespannt sein, ob das Produkt Profiboxen überhaupt noch eine Zukunft in Deutschland hat.

© Uwe Betker

Boxen in Fernsehstudio 1

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Profiboxen in einem Fernsehstudio ist eigentlich die Ideallösung für diesen Sport, wenn das Ganze dann auch noch von einem TV-Sender übertragen wird. Für den TV-Sender wie für den Veranstalter sind die Bedingungen ideal. Auch für die Zuschauer ist es gut, denn die Konzentration ist auf den Ring fokussiert, bzw. auf das Geschehen darin. Die nobeo Studios in Hürth waren am 12.05.2018 Austragungsort einer Veranstaltung von Ahmet Öner, die von Sky Sport übertragen wurde. Insgesamt gab es dreizehn Kämpfe zu sehen.
Den Anfang machte ein Sechsrunder im Schwergewicht zwischen Gogita Gorgiladze (63 Kämpfe, 38 Siege, 32 durch KO, 25 Niederlagen, 10 durch KO) und Ali Kiydin (6 Kämpfe, 6 Siege, 5 durch KO). Kiydin schlug viele Haken, wobei besonders sein rechter Körperhaken gut aussah. Er dominierte den Kampf. In der dritten Runde kam er mehrfach mit schönen Aufwärtshaken durch. Die vierte Runde war munter und es gab viele Schlagabtäusche. Gorgiladze schien Konditionsprobleme zu bekommen, erreichte aber das Kampfende. Sieger nach Punkten, durch Mehrheitsentscheidung: Ali Kiydin.
Anschließend stiegen Lars Jaarsma und Azad Dogru (19 Kämpfe, 19 Niederlagen, 19 durch KO) für einen Vierrunder im Super Weltergewicht in den Ring. Jaarsma, ein Debütant, boxte gut und Dogru ging mehrfach zu Boden. Beim dritten Mal hatte BDB Ringrichter Maurizio Rinaudo genug gesehen und nahm Dogru aus dem Kampf. Sieger durch TKO in Runde 1, nach 1:57 Minuten: Lars Jaarsma.
Ebenfalls einen Vierrunder bestritten im Halbschwergewicht Miroslaw Dzembic und Onur Kanat. Beide Debütanten zeigten technisch gutes Boxen. Kanat boxte ruhig und abgeklärt. Er machte Druck und bestimmte den Kampf. Am Ende der zweiten Runde kam er mit einem schönen rechten Haken zum Kopf durch und Dzembic schien zu wackeln. Zur dritten Runde trat er dann verletzungsbedingt nicht mehr an. Sieger durch TKO in Runde 3: Onur Kanat.
Danach stiegen Davit Gorgiladze (28 Kämpfe, 16 Siege, 14 durch KO, 12 Niederlagen, 12 durch KO) und Mohamed Soltby (15 Kämpfe, 14 Siege, 9 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO) für einen Achtrunder im Schwergewicht in den Ring. Soltby boxte schön mit der Linken an und zog gut mit der Rechten nach. Er verteilte gut. Plötzlich ging Gorgiladze auf die Knie. Er hatte sich seine linke Schulter ausgekugelt. Der Ringrichter Uwe Lorch brach den Kampf ab. Sieger durch TKO in Runde 1 nach 1:58 Minuten: Mohamed Soltby.
Auf sechs Runden war die Kampf von Francisco Cordero (49 Kämpfe, 38 Siege, 29 durch KO, 11 Niederlagen, 9 durch KO) und Mohammed Bekdash (13, Kämpfe, 13 Siege, 10 durch KO) im Halbschwergewicht angesetzt. Bekdash boxte überlegt und ruhig. Er trieb mit seiner rechten Führhand seinen Gegner vor sich her, ohne zu überhasten. Bekdash boxte schön durch die Mitte und Cordero versuchte es mit Haken. Allerdings hatte Cordero Schwierigkeiten, den Reichweitennachteil auszugleichen. Die vierte Runde war besonders munter, als Cordero zwei Mal mit einem Kopfhaken durchkam. Am Anfang der fünften Runde platzierte Bekdash eine schöne Rechte zum Kopf. Am Ende der Runde deckte er sein Gegenüber mit einem regelrechten Schlaghagel ein, aber der Gong rettete Cordero noch mal. Er trat allerdings zur sechsten Runde nicht mehr an. Sieger durch TKO in Runde 6: Mohammed Bekdash.
Im Mittelgewicht boxten Sokol Arsic (4 Kämpfe, 1 Sieg, 2 Niederlagen, 2 durch KO, 1 Unentschieden) und Taycan Yildirim (4 Kämpfe, 4 Siege, 2 durch KO). Die Begegnung war auf vier Runden angesetzt. Sie begann mit einem Führhandduell, bis Yildirim den Druck erhöhte. Am Ende der Runde schlug Yildirim seinen Gegner buchstäblich aus dem Ring. Arsic war, sich hinter einer Doppeldeckung verschanzend, durch die Ringseile gerutscht. In der zweiten Runde erhöhte Yildirim den Druck. Er stellte seinen Gegner in einer neutralen Ecke und ließ ihn nicht mehr raus. Arsic ging langsam zu Boden. Er machte keine Anstalten, sich noch mal dem Kampf zu stellen und der Ringrichter nahm ihn aus dem Kampf. Sieger durch TKO in Runde 2, nach 39 Sekunden: Taycan Yildirim.
Im Mittelgewicht boxten Dino Sabanovic (19 Kämpfe, 2 Siege, 2 durch KO, 17 Niederlagen, 11 durch KO) und Onur Aykac (3 Kämpfe, 3 Siege, 2 durch KO), ebenfalls in einem Vierrunder. Der Kampf war munter. Ende der zweiten Runde holte Aykac seinen Gegner mit einem schönen Leberhaken von den Beinen. In dieser Runde war Sabanovic von Ringrichter Rinaudo bereits zwei Mal angezählt worden, jeweils nach kleineren Kombinationen. Dann kam ein Handtuch geflogen und der Kampf war zu Ende. Sieger durch TKO in Runde 3, nach 1:00 Minute: Onur Aykac.
Auch Jovica Jovanovic (14 Kämpfe, 1 Sieg, 1 durch KO, 13 Niederlagen, 4 durch KO) und Mohamed Khaloua (5 Kämpfe, 5 Siege, 1 durch KO) traten für einen Vierrunder an, u.z. im Superweltergewicht. Khaloua zeigte schnelle Hände und schnelle Beine. Er tanzte seinen Gegner aus und deckte ihn mit variablen Kombinationen ein. In der dritten Runde hatte er ihn mehrfach am wackeln. Im vierten Durchgang gab es harte Schlagabtäusche, wobei beide Treffer nahmen. Sieger nach Punkten: Mohamed Khaloua.
Anschließend boxten Dionisio Miranda (41 Kämpfe, 22 Siege, 19 durch KO, 17 Niederlagen, 14 durch KO, 1 Unentschieden) und Yusuf Kangül (19 Kämpfe, 16 Siege, 10 durch KO, 2 Niederlagen, 1 Unentschieden) einen Achtrunder im Super Mittelgewicht. Kangül besetzte die Ringmitte und trieb Miranda relativ verhalten vor sich her. Immer wieder explodierte er und schlug harte Kombinationen. In der zweiten Runde arbeitete Miranda, der einen Reichweitenvorteil hatte, mehr mit seiner Führhand. In der dritten Runde kam Kangül wieder besser mit den langen Armen von Miranda zurecht. Er tauchte unter den Schlägen weg und kam an seinen Gegner heran. Dabei trafen sich die Köpfe der beiden Boxer. In der folgenden Runde stellte Kangül Miranda, erst in seiner und dann in dessen Ecke, und deckte ihn mit harten Schlägen ein. Die fünfte Runde war hart umkämpft und Miranda nahm einige harte Treffer. Zur sechsten Runde trat Miranda verletzungsbedingt nicht mehr an. Sieger durch TKO in Runde 6: Yusuf Kangül.
Ladislav Nemeth (69 Kämpfe, 9 Siege, 4 durch KO, 51 Niederlagen, 16 durch KO, 8 Unentschieden) und Nick Morsink (5 Kämpfe, 4 Siege, 3 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO) maßen im Halbschwergewicht ihre Kräfte in einem Sechsrunder. Beide gingen ein sehr hohes Tempo. Morsink beeindruckte. Mit dem Gong zur Pause kam er mit einem rechten Haken zur Schläfe durch, die Nemeth einknicken ließ. Nach ca. zwei Minuten in der zweiten Runde fand sich Morsink auf dem Boden wieder. Ein Schlag hatte ihn aus der Balance und zu Boden gebracht. Ringrichter Uwe Lorch zählte ihn nicht an. Die folgende Runde war hektisch. Nemeth suchte den KO zu erzwingen. Er nahm viel, aber er fiel nicht. Lediglich eine kleine Catcheinlage von Morsink brachte ihn zu Boden. Diese Einlage gab es dann in der fünften Runde noch einmal. Nemeth wollte einfach nicht durch Schläge fallen. Er nahm. Er nahm sehr viele harte Schläge, aber er erreichte den Schlussgong. Sieger nach Punkten: Nick Morsink.
Einen Vierrunder im Cruisergewicht bestritten Fadil Pasalic (18 Kämpfe, 1 Sieg, 17 Niederlagen, 10 durch KO) und Hami Sedef, der sein Profidebüt gab. Sedef besetzte zwar die Ringmitte, agierte aber etwas unsicher und kam nur selten an seinen Gegner heran. Pasalic hielt ihn sich meist mit seiner Führhand vom Hals. In der zweiten Runde verletzte sich Pasalic den linken Ellebogen und glitt zu Boden, während Sedef weiter auf ihn einprügelte. Ringrichter Lorch zählte Pasalic an. Kurze Zeit später prügelte Sedef Pasalic erneut zu Boden. Pasalic, der sich offensichtlich verletzt hatte, gab auf. Sieger durch TKO in Runde 2 nach 1:59: ami Sedef.
Im Halbschergewicht trafen Attila Tibor Nagy (44 Kämpfe, 11 Siege, 7 durch KO, 33 Niederlagen, 11 durch KO) und Serge Michel (6 Kämpfe, 6 Siege, 5 durch KO) für einen Achtrunder aufeinander. Nagy ging mit einer schon brutal zu nennenden Systematik ans Werk. Er boxte, ohne zu überhasten. Immer wieder traf seine präzise Führhand und sobald sich die Lücke ergab, zog er mit der Rechten nach. Gleichzeitig erhöhte er kontinuierlich den Druck, ohne dabei aber zu überhasten. So brachte er seinen Gegner drei Mal in der dritten Runde zu Boden. Dieser versuchte zwischen den Niederschlägen, Michel in Keilereien zu verwickeln, was ihm aber nichts nützte; Michel sezierte ihn ruhig weiter. Nach dem dritten Niederschlag war dann Schluss: Sieger durch TKO in Runde 3 nach 2:02 Minuten: Serge Michel.
Den Hauptkampf des Abends bestritten Ryan Ford (17 Kämpfe, 14 Siege, 9 durch KO, 3 Niederlagen) und Avni Yildirim (20 Kämpfe, 19 Siege, 11 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO) im Super Mittelgewicht. Dabei ging es um die WBC International Meisterschaft. Beide Boxer standen Fuß an Fuß und suchten die Lücke in der guten und kompakten Deckung des Anderen. Beide gingen ein sehr hohes Tempo. Es gab in den ersten beiden Runden nur sehr wenige einzelne Treffer. In der dritten Runde wurde der Kampf härter. Beide trafen häufiger, was sich in der vierten Runde fortsetzte. In der letzten Minute der vierten Runde gab es mehrere harte Schlagabtäusche. Man konnte sich kaum vorstellen, dass der Kampf über die Runden gehen würde. In der fünften und sechsten Runde wurden beide etwas langsamer, was aber nur dazu führte, dass es häufiger zum Schlagabtausch kam. In der siebten Runde wirkte Ford dann frischer und kam auch mehrfach hart durch. Im folgenden Durchgang ruhte er sich etwas aus und unterband viele Aktionen, indem er ganz nah an Yilderim heranging. Ringrichter Celestino Ruiz hatte nur sehr wenig zu tun. Nur hin und wieder musste er die Kontrahenten trennen. In der neunten Runde kam Yildirim auf. Am Ende sah es so aus, als ob Ford wackeln würde. Die zehnte und die erste Hälfte der elften Runde dominierte Yildirim, dann kam Ford wieder. Die zwölfte und letzte Runde gestaltete sich dann noch einmal brutal. Beide suchten den KO. Es war eine epische Ringschlacht. Einstimmiger Sieger nach Punkten (116:112, 115:113 und 117:112): Avni Yildirim.
Wir dürfen gespannt sein, ob der deutsche Weltmeister im Super Mittelgewicht nach Version WBA, Tyron Zeuge (23 Kämpfe, 22 Siege, 12 durch KO, I1 Unentschieden), auf die Herausforderung von Avni Yildirim und seinem Manager Ahmet Oener reagieren wird.
Das Studio 1 von nobeo Studios in Hürth ist ein idealer Austragungsort für Profiboxen. Solange ein Boxer keine Stadien oder Riesenhallen füllen kann, ist ein TV-Studio eine eindeutig gute Alternative.
© Uwe Betker

Written by betker

13. Mai 2018 at 23:59

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Gastbeitrag: Boxen in der Literatur – Jack London (3) „The Abysmal Brute“

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Der erfahrene Boxmanager Sam Stubener erhält im ersten Kapitel diese Romans [Jack London. The Game and The Abysmal Brute. London: Arco Pub., 1967. 65-142] einen Brief von Pat Glendon. Der ehemalige Schwergewichtsprofi, dem nur durch Pech und Betrug ein Weltmeistertitel vorenthalten blieb, bittet den Manager darin, seinen Sohn unter seine Fittiche zu nehmen. Glendon beschreibt Pat Junior als den perfekten Schwergewichtler. Da Stubener auf das Urteil des ehemaligen Weltklasseboxers vertraut macht er sich auf in die entlegenen Wälder Nordkaliforniens, um das junge Talent mit eigenen Augen zu sehen. Pat Glendon Junior übertrifft sowohl in physischer als auch in boxerischer Hinsicht alle Erwartungen und so nimmt ihn der Manager unter Vertrag. Allerdings besteht der Vater auf einer Klausel, die die Abmachung ungültig macht, sollte der Stubener den jungen Mann in unsaubere Geschäfte verwickeln. Der alte Mann hatte seinen Sohn nämlich in alle Finessen des Boxsports eingeweiht, ihn aber in einem abgelegenen Waldgebiet aufgezogen und ihm alle Berichte über Betrügereien in der Szene vorenthalten, um die Unschuld des jungen Mannes zu bewahren. Dessen Lehrerin war im übrigen die einzige Frau, mit der er zu tun hatte und vor deren Nachstellungen floh er in die Wälder.
Der junge Boxer begleitet den Manager allerdings nur um seines Vaters Willen nach Los Angeles und wird dort von Heimweh nach den Bergen geplagt. Seine ersten Kämpfe gewinnt Glendon Junior nach nur wenigen Sekunden durch K.O., was einen der Gegner zu folgender Aussage bewegt: „„What happened?“ he queried hoarsely. „Did the roof fall on me?““ [London. Abysmal Brute. 86]
Daraufhin überzeugt der Stubener seinen Schützling, seine nächsten Kontrahenten nicht so schnell bewußtlos zu schlagen, da es sein Ruf ansonsten schwierig machen würde, neue Gegner zu bekommen und da die Zuschauer für ihr Eintrittsgeld länger unterhalten werden wollen. Unmittelbar vor seinem nächsten Kampf hat Pat Junior die traurige Pflicht, seinen Vater zu beerdigen. Dennoch führt er die Anweisung seines Managers pflichtbewußt aus. Nach einer Weile gehen die beiden sogar dazu über, die Runden zu verabreden, in denen der Knockout stattfinden soll. Der Manager nutzt dies ohne das Wissen des Boxers aus und verdient durch seine Verbindung zu einem Wettsyndikat große Summen.
Der Boxer verbringt seine Freizeit mit dem Lesen von Gedichten und Museumsbesuchen. Da er nur wenig Zeit mit anderen Sportlern verbringt, sehr wortkarg ist und alle Kämpfe vorzeitig gewinnt wird er für dumm und brutal gehalten und ein Sportreporter verleiht ihm den Beinamen Abysmal Brute.
Im sechsten Kapitel des Romans wird die junge Maud Sangster vorgestellt. Um ihrer Unabhängigkeit willen verließ sie ihr millionenschweres Elternhaus und wurde Reporterin. Außerdem ist sie jung und hübsch, Staatsmeisterin Tennis, spielt mit Männern Polo und verfaßt Gedichte. Auf eigenen Wunsch übernimmt sie den Auftrag, für ihre Zeitung Pat Glendon zu interviewen, der inzwischen als möglicher neuer Weltmeister gehandelt wird. Dieser muß erst von seinem Manager überzeugt werden, dieses Interview zu geben, denn bislang hatte er sich stets von Reportern fern gehalten. Erst als er erfährt, daß die junge Frau, die das Gespräch führen soll auch Gedichte schreibt willigt er ein. Die Begegnung zwischen dem Schwergewichtler und der Reporterin ist ein zentraler Moment des Romans.
“The meeting was a mutual shock. When blue eyes met grey, it was almost as if the man and the woman shouted triumphantly to each other, as if each had found something sought and unexpected.” [London. Abysmal Brute. 103]
Obwohl der Manager dies zu verhindern sucht bringt die junge Frau das Gespräch auf Betrügereien im Boxgeschäft. Sie erklärt, daß einer ihrer Kollegen stets vorher weiß, in welcher Runde die Kämpfe Glendons enden werden. Glendon schickt nach diesem indirekten Betrugsvorwurf seinen Manager aus dem Raum. Nur dieser wußte schließlich außer ihm von der Abmachung, den Gegner im nächsten Kampf, Nat Powers, bis zur 16. Runde stehen zu lassen. Der junge Boxer verabredet mit der Reporterin den bevorstehenden Kampf in einer späteren Runde, der 18., zu beenden, um der Reporterin zu beweisen, daß sie mit ihrem Verdacht im Unrecht ist.
Maud Sangster schleicht sich als Mann verkleidet in die Arena, um den Fight zu verfolgen. Dort wird sie Zeugin, als Powers in der 16. Runde K.O. geht und wendet sich mit Abscheu ab. Glendon wollte den Kampf erst später beenden, doch sein Manager wollte kein Risiko eingehen und bestach den Gegner, in der verabredeten Runde zu Boden zu gehen. In dem Moment als Powers ohne Schlagwirkung zu Boden geht wird sich Glendon klar über die Verruchtheit des Boxgeschäftes.
Es gelingt ihm die junge Reporterin zu überzeugen, daß er nicht an dem Betrug beteiligt war. Die beiden heiraten Hals über Kopf und verbringen ihre Flitterwochen in den Bergen. Glendon beschließt noch ein letztes Mal zu kämpfen bevor er sich mit seiner Frau in die endgültig in die Einsamkeit der Natur zurückzieht. Seinen Manager läßt er in dem Glauben, er habe sich mit den dunklen Seiten des Boxgeschäftes abgefunden. Unmittelbar vor seinem letzten Kampf hält der junge Boxer unter dem Jubel der Zuschauer im Ring eine Rede, in der er die üblen Machenschaften des Wettsyndikates aufdeckt und die letzten Endes zu einer offiziellen Untersuchung der Boxbranche führt.
Der wütende Weltmeister, der als Gast unter den Zuschauern ist stürmt in den Ring, wird aber von Glendon mit einem Schlag ausgeknockt. Der eigentliche Kampf findet schließlich statt, denn Glendon will seinen Gegner nicht wie verabredet in der 14. sondern bereits in der ersten Runde ausknocken. Dies gelingt ihm auch und im Saal bricht ein Tumult aus, denn die Zuschauer fallen über die betrügerischen Boxer, Manager und Promoter her. Der Roman endet damit, daß Pat Glendon auf den Schultern seiner Anhänger getragen wird und erneut eine Rede halten muß.
Der Titel des Romans kommt von dem Spitznamen, den London 1905 dem dänischen Leichtgewichtsboxer Battling Nelson verlieh. Er meinte dies durchaus nicht abwertend:
“I like Nelson. I named him the „Abysmal Brute“ after his seventeen-round fight with Britt at Colma several years ago. Bat didn´t like it at first, but we got together and talked it over, and he began to appreciate the term. I called him that as a compliment. He has the primitive thing in his nerves and fibre and soul that goes ahead; that knows no quitting-primitive.” [Zitiert nach: Kingmann, Russ. A Pictorial Life of Jack London. New York: Crown, 1979, .226]
Im Roman dient der Titel wohl eher dazu, dem Leser klarzumachen, daß sich hinter einem scheinbar stupiden und brutalen Boxer auch ein sensibler und kluger Mann verbergen kann.
Die Kampfszenen in diesem Roman sind absolut überzeugend und realistisch. Der „Übermensch“ Pat Glendon, der körperlich, geistig und moralisch perfekt ist wirkt dagegen wie eine Figur aus einem Märchen. Im Wald aufgewachsen wurde er zum Vorbild für den klassischen Stereotypen des natural, des geborenen Athleten vom Lande. [vgl. Oriard, Michael: Dreaming of Heroes: American Sports Fiction, 1868-1980, Chicago: Nelson-Hall, 1982, 82]
Fast so als ginge es darum Londons Darstellung zu rechtfertigen wurde 15 Jahre nach der ersten Veröffentlichung von The Abysmal Brute ein Mann Weltmeister, der Pat Glendon in vielen Dingen entsprach. Gene Tunney sah blendend aus und erlitt als Profi nur eine Niederlage, schlug aber den Gegner danach noch mehrmals. Nachdem er innerhalb von drei Jahren fast 1.800.000 Dollar verdient hatte trat er zurück und widmete sich seinen Hobbys. [Higgs, Robert. The Unheroic Hero: A Study of the Athlete in Twentieth-Century American Literature. Diss. U. of Tennessee. Ann Arbor: University Microfilms International, 1961, 152] Dazu gehörte die Literatur und so gab Tunney sogar Shakespeare-Vorlesungen in Yale. Außerdem heiratete er eine Dame aus der High Society, welche der fiktiven Maud Sangster nicht unähnlich war. [ebd.]
Seit Muhammad Ali ist auch bekannt, daß ein Weltklasseboxer die Runde vorhersagen kann, in der er einen Kampf beenden wird, wenn auch nicht immer ganz korrekt. Der einzig wirklich utopische Teil des Romans ist folglich die Schlußszene, in der Pat Glendon im Ring eine Rede hält und damit anscheinend auf einen Schlag die gesamte Korruption im Boxgeschäft beseitigt. Ebenso unglaubwürdig ist, daß ihn die nur an ihrer Unterhaltung interessierten Zuschauer dafür bejubeln, ihn am Ende auf den Schultern tragen und noch eine Rede fordern.
Auffällig in diesem Roman sind noch die Anspielungen auf Glendons Rasse und seine irische Abstammung. Sein Vater schreibt über ihn: „Talk about the hope of the white race. This is him.“ [London. Abysmal Brute. 70] und im letzten Kapitel heißt es: „Glendon had the Celt´s intuitive knowledge of the psychology of the crowd.“ [London. Abysmal Brute. 135]
Man kann The Abysmal Brute einfach als Attacke gegen die Korruption im Boxgeschäft verstehen. Michael Oriard ist der Meinung, daß Jack London mit diesem Roman den Konflikt zwischen Stadt und Land darstellen wollte. [Oriard. Jack London: 3ff] Pat Glendon ist ein Kind der Natur, die ihn reichlich mit Talenten und Tugenden ausstattete. Er ist abstinent von Alkohol und Tabak, moralisch rein, gutaussehend, hat ein angeborenes Talent als Redner und besitzt nicht zuletzt die perfekten physischen Voraussetzungen für einen Boxer. Auf Frauen reagiert er mit Scheu, aber als er seiner idealen Partnerin begegnet erkennt er sie und verhält sich intuitiv richtig. Die Stadt dagegen ist das Zentrum der Korruption in dem der natural sich zwar problemlos behaupten kann, dem er die Einsamkeit der Natur jedoch vorzieht.
Der Aspekt der Flucht vor dem Übel der Stadt wird auch in einem anderen Roman thematisiert, in dem das Boxen eine Rolle spielt. Der Held im Roman „The Valley of the Moon“ [Jack London. The Valley of the Moon. New York: Macmillan, 1913] verdient gelegentlich als Boxprofi zusätzliches Geld. Als er aufgrund eines Streiks seinen Job verliert beschließt er mit seiner Frau Saxon aufs Land zu ziehen, wo sie Land kaufen und glücklich werden.
Will man einschätzen, inwieweit die hier angesprochenen Aspekte ein wirkliches Anliegen Londons war muß man besonders berücksichtigen, daß London das Plot für diesen Roman nicht selbst entwickelte, sondern es als „The Dress Suit Pugilist“ seinem Freund Sinclair Lewis für 7,50 Dollar abkaufte. [Vergleiche: Franklin Walker. „Jack London´s Use of Sinclair Lewis Plots, Together with a Printing of Three of the Plots“ in: Jacqueline Tavernier-Courbin (Hg.). Critical Essays on Jack London. Boston: Hall, 1983. 76]
(C) Martin Scheja

Die ultimativ subjektive Liste 2017

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Boxer des Jahres
Wladimir Klitschko (69 Kämpfe, 64 Siege, 53 durch KO, 5 Niederlagen, 4 durch KO) stieg am 29.04.2017 im Wembley Stadion in London zum letzten Mal in den Ring. Er verlor gegen Anthony Joshua. Es hätte vermutlich keiner vorher ernsthaft erwartet, dass Klitschko im Herbst seiner Karriere noch einmal zu einer solchen Leistung fähig wäre.

Boxer des Jahres (ehrenhalber)
Alexander Mengis und Eduard Gutknecht zahlen einen hohen Preis für ihre Liebe zum Boxen.

Boxerin des Jahres
2017 sah ich in Deutschland keine Boxerin, die diesen Titel verdient hätte.

KO des Jahres
Im Viertelfinale der World Boxing Super Series, im Turnier im Cruisergewicht, knockte der Kubaner Yunier Dorticos (22 Kämpfe, 22 Siege, 21 durch KO) den Russen Dmitry Kudryashov (23 Kämpfe, 21 Siege, 21 durch KO, 2 Niederlagen, 2 durch KO) in der zweiten Runde durch eine perfekte Rechte zur Schläfe aus.

Schlechteste Veranstaltung des Jahres
Alle Veranstaltungen von großen Promotern, die das Geld nicht wert waren, das die Fernsehsender und die Zuschauer an den Kassen bezahlt haben und bei denen Boxer um den Sieg betrogen wurden.

Rookie des Jahres
Sherif Morina (6 Kämpfe, 6 Siege, 4 durch KO) ist seit eineinhalb Jahren Profi. Er boxt im Weltergewicht und boxt mit hohem Risiko, sowohl was seinen Kampfstil als auch was die Auswahl seiner Gegner anbelangt.

Überschätzter Boxer des Jahres
Christian Hammer (27 Kämpfe, 22 Siege, 12 durch KO, 5 Niederlagen, 2 durch KO) alias Cristian Ciocan boxte am 15. Dezember 2017 um den WBO International Titel im Schwergewicht gegen Alexander Povetkin (34 Kämpfe, 33 Siege, 23 durch KO, 1 Niederlage). Auf meinem Punktzettel gewann er keine Runde.

Überschätzte Boxerin des Jahres
Es gibt sie, aber ich will sie hier nicht mit einer Nennung ehren.

Punktrichter des Jahres
Urs Schneider (BDB), ein Punktrichter der in seiner ganzen Karriere noch kein einziges Fehlurteil gefällt hat: Hinzu kommt ein vorbildlicher Auftritt als Supervisor.

Ringrichter des Jahres
Jens-Uwe Baum (GBA) agiert unauffällig und unaufgeregt, auch wenn es im Ring hektisch wird.

Absteiger des Jahres (männlich)
Der am 22.12.2014 verstorbene Erfolgstrainer Fritz Sdunek war so etwas wie der Säulenheilige des deutschen Boxens. Eine Reportage im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zeigte, dass er wohl doch so heilig nicht war.

Absteiger des Jahres (weiblich)
Gab es sie?

Aussteiger des Jahres
Der Wuppertaler Schwergewichtler und Kultboxer Werner Kreiskott (46 Kämpfe, 25 Siege, 17 durch KO, 19 Niederlagen, 8 durch KO, 2 Unentschieden) machte im Oktober seinen letzten Kampf. Er war ein Boxer, der seine Kämpfe gewann, der aber auch verlor und beides machte er mit Würde. Viele werden ihn im Ring vermissen. Alle aber sind, wie ich, froh, dass er den richtigen Zeitpunkt für seinen Rücktritt gewählt hat.

Veranstalter des Jahres
Die 15-jährige Ranee Schröder dürfte wahrscheinlich immer noch die jüngste Promoterin der Welt sein. Sie war Veranstalterin des WBF WM-Kampfes im Cruisergewicht zwischen Serdar Sahin und Javier Sanabria auf der Messe „Mode, Heim und Handwerk“ am 18. November 2017 in der Messe Essen.

Veranstaltung des Jahres
Die GBA ging am 18. November 2017 neue Wege, um Werbung für das Profiboxen in Deutschland zu machen: Sie veranstaltete selber eine Profiboxveranstaltung, und zwar in der Messehalle Halle 7 der Messe Essen. Auf der Messe „Mode, Heim und Handwerk“, einer Verbrauchermesse, gab es Profiboxen zu sehen und die Zuschauer waren die Messebesucher, die vorbei kamen.

Boxevent des Jahres
Da findet eine Schwergewichtsweltmeisterschaft in Deutschland statt und die Halle ist nicht ausverkauft. Da wird jemand, der seit ewiger Zeit in Deutschland lebt, Weltmeister im Schwergewicht und ein Teil der Presse fragt nach seinem Pass. In der Arena Oberhausen fand am 15.11.2017 eines der seltsamsten Boxevents aller Zeiten statt: Manuel Charr vs. Alexander Ustinov.

Fehlentscheidung des Jahres
Am 04. März 2017 gab Araik Marutjan sein Profidebüt gegen Serhii Ksendzov. Sauerlands neuer Mittelgewichtler Marutjan dominierte den Kampf. Dann erlitt er einen Achillessehnen-Abriss und konnte nicht weiter boxen. Im Ring wurde offenbar ein “No Contest“ verkündet. Später wandelte der BDB das Urteil in einen Sieg für Marutjan um.

Trainer des Jahres
Habe ich nicht gesehen.

Entgleisung des Jahres
Malte Müller-Michaelis und Gerhard Pfeil schrieben in „Der Spiegel“: „Die Promoter witterten das schnelle Geld. Statt Talente ordentlich auszubilden, schickten sie unfertige Athleten ins Feuer. Durchschnittsboxer wie Sven Ottke oder Markus Beyer wurden zu Weltmeistern hochgejazzt.“

Boxkampf des Jahres (männlich)
Im Wembley Stadion in London versuchte Wladimir Klitschko (69 Kämpfe, 64 Siege, 53 durch KO, 5 Niederlagen, 4 durch KO) am 29.04.2017 gegen Anthony Joshua noch mal Weltmeister im Schwergewicht zu werden. Vorher hatte kaum jemand geglaubt, dass der einundvierzigjährige Herausforderer Klitschko zu einer solchen Leistung, wie er sie dann zeigte, nochmal fähig sein würde. Womöglich hätte er den Kampf sogar gewinnen können, hätte er in den Kunstpausen von Joshua nur konsequent angegriffen. Seine Ecke aber, allen voran sein Bruder Vitali, verhinderten dies.

Boxkampf des Jahres (weiblich)
Özlem Sahin (25 Kämpfe, 23 Siege, 7 durch KO, 1 Niederlage, 1 Unentschieden) besiegte am 05.08.2017 in Essen auf sehr beeindruckende Weise Sandy Coget (16 Kämpfe, 8 Siege, 7 Niederlagen, 1 Unentschieden). Durch einen technisch sehr gut und hart geführten Kampf verteidigte Sahin ihren UBO Weltmeister- und ihren WBF Interconti-Titel.

Comeback des Jahres (männlich)
Habe ich übersehen.

Comeback des Jahres (weiblich)
Habe ich übersehen.

Bester Show Act des Jahres
Der Ringsprecher Dave Kaufmann sang bei der Freiluftveranstaltung in Gelsenkirchen am 08. Juli 2017 „New York, New York“ – großartig.

Ringsprecher des Jahres
Thomas Bielefeld ist die Stimme des Profiboxens in Deutschland.

Boxer, der einen WM-Kampf verdient (männlich)
Der Leichtgewichtler Gabor Veto (31 Kämpfe, 31 Siege, 23 durch KO) hat 2017 nicht geboxt. Dennoch verdient er einen WM Kampf. Er sitzt in einer Falle: Er lebt in der Schweiz, ist Ungar und ist zu stark, um ohne Not eine Chance auf einen Titelkampf zu bekommem.

Boxer, der einen WM-Kampf verdient (weiblich)
Die Leichtgewichtlerin Beke Bas (10 Kämpfe, 10 Siege, 5 durch KO) dürfte reif für eine WM sein. Sie eine Kriegerin, die nach vorne geht und den Sieg erkämpfen will.

Boxer, der zu Unrecht übersehen wird (männlich)
Der in Kanada lebende Kolumbianer Oscar Rivas (22 Kämpfe, 22 Siege, 16 durch KO) wird nie genannt, wenn es um einen WM Kampf geht. Der 22-jährige ist einer denen, die im Schwergewicht ganz weit oben mitmischen könnten.

Boxer, der zu Unrecht übersehen wird (weiblich)
Verena Kaiser (10 Kämpfe, 10 Siege, 5 durch KO) ist Weltmeisterin der WIBF und GBU im Weltergewicht.

Boxkampf, den wir 2018 nicht sehen wollen (männlich)
Irgendwelche Come-Back-Kämpfe von Boxern, die durch sind und nur noch einmal Kasse machen wollen, obwohl sie schon genug Geld verdient haben.

Boxkampf, den wir 2018 nicht sehen wollen (weiblich)
Alle schlechten.

Boxkampf, den wir 2018 sehen wollen (männlich)
Einen Kampf von Agit Kabayel (17 Kämpfe, 17 Siege, 12 durch KO) gegen einen Top-Ten Mann im Schwergewicht.

Boxkampf, den wir 2018 sehen wollen (weiblich)
Ein Aufeinandertreffer der beiden deutschen Minimumgewichtlerinnen Tina Rupprecht (7 Kämpfe, 7 Siege, 3 durch KO) und Özlem Sahin (25 Kämpfe, 23 Siege, 7 durch KO, 1 Niederlage, 1 Unentschieden) wäre einer der besten Frauenboxkämpfe, die 2018 weltweit möglich wären.
© Uwe Betker

Written by betker

31. Dezember 2017 at 23:59

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Gastbeitrag: Boxen in der Literatur – Jack London (1) „The Game“

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Biographischer Hintergrund
Jack London wurde am 12. Januar 1876 als uneheliches Kind geboren. Sein leiblicher Vater war vermutlich der Astrologe William Chaney, doch seine Mutter heiratete noch im selben Jahr John London, der den Jungen adoptierte. Sein zartes Äußeres war der Grund dafür, daß er in der Schule das Ziel von Attacken Älterer wurde. Allerdings verstand er es offensichtlich schon früh, sich seiner Haut zu wehren. Er schloß 1891 die Grammar School in Oakland ab und arbeitete anschließend in einer Fabrik. Mit 300 von seiner Amme geliehenen Dollars kaufte er das Boot Razzle-Dazzle und plündert damit Austernbänke. Anschließend wechselte er die Seiten und wurde Mitglied der California Fish Patrol. Mit 17 unternahm er eine siebenmonatige Reise auf dem Segelschoner Sophia Sunderland. Als bartloser junger Bursche mußte er sich gegen die rauhen Seeleute durchsetzen. Einem Schweden, der ihn schikanierte versetzte er zuerst einen Fausthieb und drückte ihm anschließend so lange die Kehle zu, bis er versprach ihn zufrieden zu lassen. [vgl. Russ Kingmann. A Pictorial Life of Jack London. New York: Crown, 1979. 44-45]
Zurück an Land gewann London bei einem Wettbewerb einer Zeitung aus San Francisco einen Preis für den besten beschreibenden Artikel. 1894 arbeitete er zunächst in einem Kraftwerk und begab sich dann auf Wanderschaft. Im folgenden Jahr nahm er seine Ausbildung wieder auf und ging auf die Oakland High School wo er auch Artikel für die Schülerzeitung verfaßte. Noch vor der Jahrhundertwende wurde er Mitglied in der Socialist Labor Party, studierte ein Semester an der Universität und nahm am Goldrausch in Klondike teil.
Er entschloß sich danach, Schriftsteller zu werden und veröffentlicht 1899 seine ersten Geschichten. Als Autor war er extrem produktiv, vielseitig und kommerziell erfolgreich:
„Virtually everything he wrote, he sold – and he wrote 1,000 words each day for 17 years. During the years from 1900 until his death in 1916, he produced more than 50 books with an astonishing range of subjects: agronomy, architecture, astral projection, boating, ecology, gold-hunting, hoboing, loving, penal reform, prizefighting, Socialism, warfare.“ [Earle Labor und Jeanne Campbell Reesman. Jack London. Überarb. Aufl. New York: Twayne, 1994. XIII]
Im November 1901 verfaßte er seine erste größere Boxreportage über den Kampf zwischen James Jeffries und Bob Fitzsimmons um die Weltmeisterschaft im Schwergewicht. Er besuchte Boxkämpfe wann immer es ihm möglich war und verfaßte unzählige Zeitungsberichte.
1902 lebte er sechs Wochen im Londoner East End und verarbeitet die dort gewonnenen Eindrücke später in dem Roman The People of the Abyss.
1904 berichtete er vom Russisch-Japanischen Krieg. Im folgenden Jahr hielt London an verschiedenen Universitäten Vorträge und veröffentlichte den Roman The Game, der sich mit dem Boxen beschäftigt. Er gab den Bau eines Segelbootes, der Snark in Auftrag, mit der er ab 1907 ausgedehnte Seereisen unternahm. Auf diesem Boot führte er, wie zuhause Sparringsrunden mit seiner Frau Charmaine durch, die vor allem seine Verteidigung verbesserten, denn er konnte natürlich nicht hart zuschlagen, wenn er mit ihr trainierte. [vgi. pic. 224f] Auf einer seiner Reisen infizierte sich London mit verschiedenen Tropenkrankheiten und mußte in Sydney im Krankenhaus stationär behandelt werden.
1908 berichtete der Schriftsteller vom Kampf zwischen dem weißen Titelverteidiger Thomas Burns und dem schwarzen Jack Johnson. Nach der Niederlage Burns´ war er derjenige, der in Amerika die hysterische Suche nach der great white hope auslöste.
Australia took the defeat far more seriously than did America. Both white and black America seemed rather unmoved by the event until novelist Jack London sounded the call for Jim Jeffries to come back and „remove the golden smile from Jack Johnsons face.“ [Jeffrey T. Sammons. Beyond The Ring: The Role of Boxing in American Society. Urbana und Chicago: U of Illinois P, 1988. 37]
Ab 1910 widmete sich London dem Aufbau einer Musterranch.
Im Juni hatte er eine Schlägerei mit einem Kneipenwirt. Eine Anklage wegen Körperverletzung wurde aber später niedergeschlagen. Einige Wochen später berichtete London für die Zeitung The New York Herald vom Weltmeisterschaftskampf im Schwergewicht zwischen Jim Jeffries und dem Schwarzen Jack Johnson. Ein Zeitungsartikel aus dem folgenden Jahr gibt Londons Einstellung zum Boxen wieder:
„I would rather be heavyweight champion of the world – which I never can be – than King of England, or President of the United States, or Kaiser of Germany.
Of all the games it is the only one I really like.“ [Zitiert nach: Pic. 226]
Der zweite Boxroman The Abysmal Brute wurde zunächst im Popular Magazine und zwei Jahre später, 1913 als Buch veröffentlicht und wurde von den Lesern sehr positiv aufgenommen. [vgl. Pic 244]
London durchquerte das nördliche Kalifornien und Oregon mit einer Pferdekutsche und umsegelte 1912 Kap Horn. In seinen letzten Lebensjahren berichtete London von der Mexikanischen Revolution und trat aufgrund der dort gewonnenen Erfahrungen aus der Socialist Labor Party aus. Er bekam danach immer stärkere gesundheitliche Probleme. Am 22. November 1916 stirbt Jack London mit nur 40 Jahren vermutlich an den Folgen einer Nierenerkrankung.

The Game
Der Roman [Jack London. The Game. 1905. Oakland: Star Rover House, 1982. Diese Ausgabe ist zu empfehlen, da sie die Illustrationen der Originalausgabe enthält.] beginnt damit, daß der Held, Joe Fleming und seine Verlobte Genevieve Pritchard Teppiche für ihre zukünftige Wohnung aussuchen. Joe ist Berufsboxer [Nur ein geringer Teil der Berufsboxer war und ist hauptberuflich „Profi“. Der Berufsboxsport unterscheidet sich vom Amateursport im wesentlichen durch längere Kampfdauer und offizielle (!) Bezahlung.], hat jedoch seinen eigentlichen Beruf als Segelmacher nie aufgegeben. Seinen Siegprämien lieferte er stets zuhause ab und bezahlte das Haus seiner Mutter. Er will noch einen letzten Kampf machen, um der jungen Familie ein Startkapital zu geben und dann dem Ring für immer fern bleiben.
Die Liebesgeschichte, die im Mittelpunkt des zweiten Kapitels des Romans steht ist von der absoluten Unschuld Joes und Genevieves gekennzeichnet.
„Their love was all fire and dew. The physical scarcely entered into it, for such seemed profanation. The ultimate physical facts of their relation were something which they never considered.“ [London. The Game. 67]
Dennoch ist ihre Unschuld vom irrationalen Verlangen Joes getrübt seiner Verlobten wehzutun.
„Once, on parting, he threw his arms around her and swiftly drew her against him. Her gasping cry of surprise and pain brought him to his senses and left him there very much embarrassed and still trembling with a vague and nameless delight. And she, too, was trembling. In the hurt itself, which was the essence of the vigorous embrace, she had found delight; and again she knew sin, though she knew not ist nature nor why it should be sin.“ [London. The Game. 70]
Im vierten Kapitel begleitet Genevieve ihren zukünftigen Ehemann zu seinem letzten Kampf. Sie muß sich als Mann verkleiden, um eingelassen zu werden, da Frauen als Zuschauer nicht zugelassen sind. Joe läßt sie in einen der Umkleideräume bringen, von wo aus sie den Ring überblicken kann. Der Anblick des gutaussehenden, grazilem und wohlproportionierte Joes, den sie zum ersten Mal halbnackt sieht weckt in Genevieve sündige Gefühle. Der Kämpfer tritt gegen John Ponto an, der etwa fünf Kilogramm schwerer ist und dessen Körper eher an den eines Gorillas erinnert. Die Zuschauer stehen geschlossen hinter dem Favoriten Joe.
Im nächsten Kapitel wird der Kampf Runde für Runde aus der Sicht Genevieves detailliert beschrieben. Vier Runden lang greift Ponto stürmisch an aber in der fünften gelingt es Joe, die Oberhand zu gewinnen, nur um von einem Foulschlag des ersteren niedergeschlagen zu werden. Es gelingt Joe jedoch, sich zu erholen. Von der neunten Runde an geht der junge Held erneut in die Offensive, erzielt zahlreiche Niederschläge und sieht aus wie der sichere Sieger. In diesem Augenblick verliert Joe auf dem nassen Ringboden das Gleichgewicht und der völlig erschöpfte Ponta nutz diese Gelegenheit, sammelt seine letzten Kräfte und knockt Joe aus. Zunächst ist Genevieve unbesorgt, erst als nach einem Arzt gerufen wird und ihr Verlobter nicht zu sich kommt beunruhigt sie sich. Sie begleitet den Bewußtlosen, selbst wie in Trance, ins Krankenhaus, wo man nichts mehr für ihn tun kann, da sein gesamter Hinterkopf vom Aufprall auf den Ringboden zerschmettert wurde. So stirbt ihr zukünftiger Mann am Tag ihrer geplanten Hochzeit.

Dieser Roman ist aus mehreren Gründen bemerkenswert. London war mit diesem Werk der erste, der „den Boxsport in Amerika zum Thema anspruchsvoller Literatur“ machte und The Game ist eine „der ersten ausführlichen Auseinandersetzungen eines bekannten amerikanischen Autors mit dem Sport überhaupt“. [Hans Lobmeyer. Die Darstellung des Sports in der amerikanischen Erzählliteratur des 20. Jahrhunderts. Diss. Uni Regensburg, 1982. 119] Außerdem liegt hier der kuriose Fall vor, daß nicht nur das Boxen die Literatur beeinflußte sondern anders herum. Gene Tunney, der Weltmeister im Schwergewicht von 1927 bis 1930 soll aufgrund der Lektüre diese Buches seine Karriere beendet haben und das Buch drei Jahrzehnte später an einen seiner Nachfolger, Rocky Marciano weitergegeben haben, der dann zurücktrat, bevor er eine Niederlage erlitt. [vgl. pic.225] Dies sagt einiges darüber aus wie realistisch der Roman ist. Die Frage nach der Authentizität des Buches beschäftigte die Kritiker nach dem Erscheinen für einige Zeit. Schließlich erklärte London, er habe selbst gesehen, wie das Vorbild für Joe Fleming in eben dem beschriebenen Club starb als er mit dem Kopf auf dem Ringboden aufschlug. Eine endgültige Bestätigung fand dieses Werk, als der Weltmeister im Leichtgewicht, Jimmy Brett in einem Zeitungsartikel schrieb, The Game sage so viel über das Verständnis Londons vom Boxen aus, daß er ihn in seinem bevorstehenden Kampf als Ringrichter akzeptieren würde. [pic.152]
Die unschuldige Liebesgeschichte zwischen Genevieve und Joe und dient als Kontrast zu dem brutalen Boxkampf. London führt jedoch auch das Element der Sünde ein. Das Verlangen Joes Genevieve weh zu tun und deren Lustgefühle beim Anblick des halbnackten Kämpfers dienen möglicherweise als eine Erklärung bzw. Begründung für das tragische Ende des Romans. Der Tod Joes wäre somit gleichsam eine göttliche Strafe.
Für Michael Oriard sind Genevieve und Joe typische Beispiele für sexuelle Stereotypen. [Zu den boy and girl -Stereotypen siehe auch: Oriard. Heroes. 176ff] Er ist der Meinung, daß Sport im 20. Jahrhundert eine zentrale Rolle bei der Ausprägung der Rollenverteilung zwischen Mann und Frau spielt. Sport ist der letzte Bereich im Leben, wo Männer typische männliche Tugenden. „speed, agility, endurance, perseverence, competitiveness, aggressiveness, quick thinking, self disciline“ beweisen können Dies hält er auch für die Ursache dafür, daß Männer Frauen beim Sport ausgrenzen und das Sport im Extremfall sogar zu einer Alternative für eine nicht immer unkomplizierte heterosexuelle Beziehung werden kann. [vgl. Michael Oriard. „Jack London: The Father of American Sports Fiction“. Jack London Newsletter 11.1 (1978): 6f] Man kann also das zentrale Thema von The Game im Konflikt zwischen Maskulinität und Femininität im Sport sehen. Folgende Sätze Genevieves am Ende des Romans in denen sie das Boxen als Konkurrenten um die Gunst des Mannes beschreibt machen diese Sichtweise plausibel:
„She was stunned by the awful facts of this game she did not understand – the grip it laid on men´s souls, its irony and faithlessness, its risks and hazzards and fierce insurgences of blood, making woman pitiful, not the be-all and end-all of man, but his toy and his pasttime; to woman his mothering and care-taking, his moods and his moments, but to the Game his days and nights of striving, the tribute of his head and hand, his most patient toil and wildest effort, all the strain and the stress of his being – to the Game, his heart´s desire.“ [London. Game. 179f]
Genevieve spielt aber auch insofern eine wichtige Rolle im Roman, als der Leser den Kampf durch ihre Augen erlebt. Dieser Kunstgriff ermöglichte er London die Aufmerksamkeit des Lesers auf jedes kleine Detail des Boxkampfes zu lenken, ohne dabei ermüdend zu wirken.
Der Gewichtsunterschied zwischen Joe Fleming und Ponta von etwa fünf Kilogramm ist für Laien zwar leicht zu übersehende aber dennoch bedeutend. Heute lägen zwischen den beiden zwei Gewichtsklassen, so daß der Kampf gar nicht zugelassen würde. Wenige Kilogramm Mehrgewicht wirken sich nämlich sowohl in der Härte der Schläge als auch in der Toleranz gegen Treffer dramatisch aus. Dieser Gewichtsunterschied macht läßt auch die Interpretation des Kampfes als Variation des biblischen Konfliktes zwischen David und Goliath, wie sie Robert Higgs macht als schlüssig erscheinen. [vgl. Robert Higgs. The Unheroic Hero: A Study of the Athlete in Twentieth-Century American Literature. Diss. U of Tennessee. Ann Arbor: University Microfilms International, 1961. 119]
(C) Martin Scheja

Eine sehr ungewöhnliche Boxveranstaltung

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Profiboxveranstaltungen finden an den verschiedensten Orten statt: Hallen jeglicher Größe, Auto- und Möbelhäuser, Fußballstadien und Aschenplätze, Marktplätze und Säle von Kneipen. Auch Messehallen waren schon häufig Austragungsort. Aber eine Messehalle während einer laufenden Publikumsmesse, das ist mir noch nicht unter gekommen. Die Zuschauer der Boxkämpfe waren m.a.W. die Messebesucher.
Halle 7 der Messe Essen war der Ort, wo am 18. November 2017, also am Samstag, mittags die Fäuste flogen. Die Messe „Mode, Heim und Handwerk“ selber ist eine Verbrauchermesse, auf der man wohl so ziemlich alles, was es auf er Welt gibt, kaufen kann: japanische Automobile, Handtaschen, Rolltore, heilende Steine, Rückenmassagen, Hosen und Mäntel, Schmuck und Dinge, die ich noch nie gesehen habe. Hinzu kommen die verschiedensten Selbsthilfegruppen, Imbisse, Hilfsorganisationen, Feldjäger, Handwerksorganisationen und Vereine. In besagter Halle 7 stellten sich hauptsächlich die verschiedensten lokalen Vereine vor, vor allem Sportvereine. Und hier nun wurde geboxt.
Bereits beim Wiegen am Vortag zeichnete sich ab, dass die Veranstaltung sehr ungewöhnlich werden würde. Im Vorprogramm zum Wiegen wurde schon mal Bauchtanz und Rockabilly Tanz und Gesang geboten. Letztgenanntes wurde von Mitgliedern der „Wirtschaftswunder-Revue“ grandios aufgeführt. Und zum Bauchtanz wäre zu sagen: Gab es je vorher Bauchtanz im Rahmen einer Boxveranstaltung? Am Kampftag selbst traten auch alle wieder auf, verstärkt durch eine Sängerin. Für mich sollte es ruhig mehr Bauchtänzerinnen und mehr Tänzer- und Sängerinnen von der „Erdbeerbrause“ Revue geben. Ringsprecher und Conférencier war Thomas Bielefeld, die Stimme des Boxens in Deutschland.
So ungewöhnlich wie der Veranstaltungsort war auch der Veranstalter. Denn dieser war die German Boxing Association. Vermutlich war es das erste Mal, dass ein deutscher Boxverband selber als Veranstalter fungierte. Das liegt wohl daran, dass die GBA hier zum einen Werbung für den Boxsport machen und zum anderen das karitative Projekt GIBEI (https://gibei.jimdo.com/) unterstützen wollte. Veranstalterin des WBF WM-Kampfes war die 15-jährige Ranee Schröder, die wohl immer noch die jüngste Promoterin der Welt sein dürfte.
Leider gab es insgesamt nur zwei Kämpfe zu sehen. Allein am Kampftag wurden drei Kämpfe krankheitsbedingt abgesagt. Mustafa Isa und Issac Maganga gaben ihr Profidebüt im Cruisergewicht. Isa, ein syrischer Flüchtling, dessen Lebensgeschichte schon durch die Medien gegangen ist, boxte abgeklärt und ruhig. Er machte von Anfang an Druck und trieb Maganga vor sich her. Mehrfach stellte er ihn an den Seilen und deckte ihn ein. Magangas etwas unorthodoxe Doppeldeckung blockte jedoch viele Schläge ab. Mit seinen Schlägen auf der Außenbahn war Maganga auch nicht ungefährlich. Die erste Runde war munter. Die zweite Runde wurde dann härter geführt. Das lag zum einen daran, dass Isa den Druck erhöhte, zum anderen daran, dass Maganga nun auch durch die Mitte schlug. In der dritten Runde erhöhte Isa erneut den Druck. Die Ecke von Maganga kam mit dem Wurf des Handtuchs einem Niederschlag zuvor.
Sieger durch TKO in Runde 3 nach 1:35 Minuten: Mustafa Isa.
Der Hauptkampf des Tages war die Weltmeisterschaft nach Version WBF im Cruisergewicht zwischen Serdar Sahin (29 Kämpfe, 27 Siege, 18 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO) und Diego Javier Sanabria (82 Kämpfe, 60 Siege, 46 durch KO, 9 Niederlagen, 6 durch KO, 3 Unentschieden). Sahin, der über ein Jahr nicht geboxt hatte, zeigte schön systematisches und ruhiges Boxen. Besonders gefiel mir seine steife linke Führhand, mit der er den Kampf bestimmte. Nur wenige Male setzte Sahin, der Sven Ottke in der Ecke hatte, seine Rechte ein. Sanabria versuchte nur selten Aktionen, und wenn er es tat, dann kamen sie über die Außenbahn und waren für Sahin nur mäßig gefährlich. Die erste Runde war von Abtasten geprägt. Anfang der zweiten Runde stellte Sahin seinen Gegner an den Seilen. Eine Rechte zum Kopf über die Deckung, gefolgt von drei weiteren Schlägen – und Sanabria knickte ein, ging aber nicht zu Boden. Die gleiche Aktion, an gleicher Stelle, nur mit ein paar Schlägen mehr, ließ Sanabria am Ende der Runde erneut einknicken. Damit hatte Sahin den Schlüssel gefunden, mit dem Sanabria zu knacken war. In der dritten Runde nahm Sahin sich die Zeit, die Lücke zu suchen, die er dann auch fand. Ein harter Leberhaken, gefolgt von einer Rechten zum Kopf fällte Sanabria. Der kam zwar noch mal hoch, aber Ringrichter Mike Wissenbach zählte den noch schwankenden Mann aus.
Sieger durch KO in Runde 2, nach 1:55 Minuten: Serdar Sahin.
Es war eine sehr ungewöhnliche Boxveranstaltung, eine, die Werbung für den Boxsport machte. Es ist jetzt auch Zeit, Werbung fürs Boxen zu machen und das Publikum zurück an den Ring zu locken. Ich persönlich würde mir wünschen, dass jedes Jahr im Rahmen der „Mode, Heim und Handwerk“ so eine Veranstaltung stattfindet, mit hoffentlich dann mehr Kämpfen.
© Uwe Betker

Boxen in der Literatur: Ernest Hemingway (6) – Ein Boxkampf von Hemingway

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Ernest Hemingway war ein bekennender Boxfan. Der US-amerikanische Gigant der Weltliteratur kokettierte geradezu mit dem Boxerimage. Er praktizierte auch das Boxen. Berühmt sind Fotos von ihm in Afrika, auf denen zu sehen ist, wie er einen Sparringskampf macht. Belegt ist allerdings nur ein einziger Boxkampf und auf den kann er auch nicht gerade besonders stolz gewesen sein. Stattgefunden hat er im „American Club” in Paris im Juni 1929. Hemingways Gegner war Morley Callaghan, ein kanadischer Schriftsteller. Zuschauer und Zeitnehmer in einer Person war F. Scott Fitzgerald.
Zur Ausgangslage: F. Scott Fitzgerald war 1929 ein berühmter und sehr gut verdienender Schriftsteller. Er hatte 1925 „The Great Gatsby” veröffentlicht und pflegte einen verschwenderischen Lebensstil. Er war mit Hemingway befreundet, der auch schon seinen Durchbruch als Schriftsteller hatte. Vorher hatte Fitzgerald ihn finanziell unterstützt und ihn mit Verlegern bekannt gemacht. Die Freundschaft der beiden war aber vor allem geprägt von Alkohol und Konkurrenz.
Morley Callaghan schrieb für den Toronto Daily Star. Er verbrachte 1929 einige Monate in Paris und gehörte auch zum Kreis der modernen Literaten des Montparnasse in Paris. Das war der Kreis, zu dem auch Hemingway, Fitzgerald, Ezra Pound, Gertrude Stein und James Joyce zählten.
Hemingway und Fitzgerald aßen im Restaurant Prunier. Ihre Freundschaft neigte sich dem Ende zu. Hemingway ging Fitzgerald aus dem Weg, weil dieser ihm zu viel trank. Hemingway hatte an diesem Abend einen Hummer Thermidor und ein paar Flaschen Weißen Burgunder verzehrt.
Hemingway bildete sich immer etwas auf seine boxerischen Fähigkeiten ein. In Wirklichkeit war er aber eher ungeschickt und boxerisch auch nicht ausgebildet. Callaghan dagegen hatte bereits in Kanada jahrelang trainiert. Mit Hemingway hatte er bis dahin dreimal leichtes Sparring gemacht, bei dem sich Hemingway schon mehrfach eine blutige Lippe zugezogen hatte.
An diesem Abend nun wollte Hemingway seinem Freund einmal zeigen, was für ein guter Boxer er ist. Fitzgerald hatte ihn bis dahin nie boxen sehen. In den ersten der drei Minuten war ein normales leichtes Sparring zu sehen. In der zweiten Runde erhöhte Hemingway den Druck und veränderte den Charakter des Kampfes. Hemingway wollte einen richtigen Kampf – und den bekam er dann auch. Callaghan knockte Hemingway aus. Fitzgerald schrie: „Oh mein Gott. Ich ließ die Runde vier Minuten gehen!” Hemingway war wütend. Er sagte seinem Freund: „Wenn du mich sehen möchtest, wie die Scheiße aus mir herausgeprügelt wird, sag es einfach. Sage aber nicht, dass du einen Fehler gemacht hast.“
Nach dem Kampf war alles anders. Die Freundschaft zwischen Hemingway und Fitzgerald war zerbrochen. Morley Callaghan ging zurück nach Kanada, wo er weiter als Schriftsteller arbeitete. Er witzelte später – nicht ohne Bitterkeit -, er sei bekannter für seinen Boxkampf gegen Hemingway als für die Bücher, die er geschrieben hätte.
© Uwe Betker

Regina Halmich schlägt Tyron Zeuge

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In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift des Verbandes Deutscher Sportjournalisten „sportjournalist“ widmet sich ein Artikel von Ulf Zimmermann dem Boxsport bzw. dem Profiboxen in Deutschland. Er unternimmt eine Bestandsaufnahme der Medien- bzw. TV-Präsens von Boxen in Deutschland.
Der Titel „Boxen am Boden“ nimmt das Ergebnis der Untersuchung vorweg. Mit der Niederlage von Wladimir Klitschko am 29. April 2017 gegen Anthony Joshua und seinem anschließenden Rücktritt am 03. August ging eine Ära zu Ende. Nicht nur Klitschko hat sich vom Boxen verabschiedet, sondern auch sein TV-Partner RTL. Zumindest macht RTL nun eine Pause, nachdem der auserkorene Klitschkonachfolger Marco Huck zwei Niederlagen in drei Kämpfen kassiert hat.
Zu Recht wird bemerkt, dass die Klitschko-Ära bei RTL den schleichenden Niedergang des Boxens verschleiert hat. Das ZDF stieg schon 2010 bei Universum Box-Promotion aus und verabschiedete sich damit vom Boxen. Die ARD folgte 2014 und beendete die Zusammenarbeit mit Sauerland. Das Interesse an den damaligen Protagonisten Arthur Abraham und Felix Sturm waren rapide gesunken. Hinzu kamen Widerstände innerhalb der ARD gegen das Boxen.
Sieht man mal vom Internet ab, bleiben nur Sat. 1 und MDR zurück. Der MDR überträgt die Veranstaltungen des SES-Boxstalls aus Magdeburg. In diesen Fällen sind wohl beide Seiten mit der Zusammenarbeit zufrieden. Sat. 1 zeigt manchmal noch Boxer aus dem Team Sauerland, das im Augenblick allerdings nur einen Weltmeister, nämlich Tyron Zeuge, hat.
Schaut man sich dann noch die Einschaltquoten an, dann sieht man, wie sehr das Boxen in Deutschland in die Knie gegangen ist.
Zur Hochzeit des Boxens erreichten Axel Schulz vs. Frans Botha (RTL, 9.12.1995) 18,03 Millionen Zuschauer, was einen Marktanteil von 68 % entspricht, Henry Maske vs. Graciano Rocchigiani II (RTL, 14.10.1995) 17,59 Millionen, gleich 73,2% und Henry Maske vs. Virgil Hill I (RTL, 23.11.1996) 17,52 Millionen, gleich 59,6%.
Die Gebrüder Klitschkos kamen dem noch mal sehr nahe. Wladimir Klitschko vs. David Haye (RTL, 2.7.2011) sahen 15,50 Millionen, Vitali Klitschko vs. Shannon Briggs (RTL, 16.10.2010) sahen 13,29 Millionen und Wladimir Klitschko vs. Ray Austin (RTL, 10.3.2007) sahen 12,89 Millionen.
Alle, die als Nachfolger von Henry Maske gehandelt wurden, erreichten niedrigere Quoten. Thomas Ulrich vs. Cleveland Nelson (Sat.1, 1.4.2000) erreichte 8,04 Millionen, Dariusz Michalczewski vs. Fabrice Tiozzo (ZDF, 25.2.2005) 7,87 Millionen und Luan Krasniqi vs. Lamon Brewster (ZDF, 28.9.2005) 7,62 Millionen.
In ähnlichen Regionen bewegte sich auch Regina Halmich. Halmich vs. Shmoulefeld Finer (ZDF, 30.11.2007) sahen 8,80 Millionen, Halmich vs. Elena Reid II (ZDF, 3.12.2005) sahen 6,49 Millionen und Halmich vs. Reka Krempf (ZDF, 13.1.2007) sahen 6,33 Millionen.
Tyron Zeuge verliert selbst im direkten Vergleich zu Regina Halmich. Zeuge vs. Paul Smith (Sat.1, 17.6.2017) interessierten 1,43 Millionen, Zeuge vs. lsaak Ekpo (Sat.1, 25.3.2017) 1,57 Millionen und Zeuge vs. Giovanni de Carolis (Sat.1, 5.11.2016) 1,72 Millionen.
Sat.1 Hauptkämpfer Tyron Zeuges Quoten jedenfalls bleiben weit hinter denen von Regina Halmich zurück. Er ist keine Persönlichkeit mit Ecken und Kanten. Er ist eher bescheiden im Auftreten. Für seinen letzten Kampf gegen Paul Smith blieben 1,43 Millionen Menschen zur späten Abendstunde vor ihren Bildschirmen sitzen.
Sat. 1-Sportchef Alexander Rösner, der boxaffin betont: „Jede Sportart braucht nationale Identifikationsfiguren, so auch das Boxen.“ Die Frage aber, die sich dann automatisch stellte, lautete: Kommen denn neue Boxer, die in die Fußstapfen von Henry Maske, oder zumindest von Thomas Ulrich, Dariusz Michalczewski, Felix Sturm und Arthur Abraham treten können, ohne darin zu versinken.
Rösner und Team Sauerland verweisen auf den Supermittelgewichtler Leon Bauer (13 Kämpfe, 12 Siege, 8 durch KO, 1 Unentschieden). Eine Schwalbe macht allerdings noch keinen Sommer und ein Sportler allein hält eine Sportart noch nicht am Leben. Matthias Bolhöfer, der RTL Sprecher, formulierte es so: „Es muss jemand sein, der hier eine hohe Akzeptanz hat. Die Zuschauer wollen Identifikation“.
„Nationale Identifikationsfiguren“ mit boxerischem Können, davon bin ich persönlich überzeugt, gibt es in Deutschland genug; und sie könnten auch eine „hohe Akzeptanz“ bei den Zuschauern erreichen. Das Problem ist nur, diese Boxer werden wohl noch einige Zeit brauchen, um zu reifen.
© Uwe Betker