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Ein Versuch, Promiboxen als Sport zu sehen

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Samstag, dem 27. September, fand in Düsseldorf das große ProSieben Promiboxen statt. Das Fernsehformat „Promiboxen“ wird bereits von RTL und SAT 1 benutzt. Die letzte Veranstaltung erreichte immerhin insgesamt 1,54 Millionen Zuschauer, von denen weit über die Hälfte, nämlich 990.000, in der Altergruppe der 14- bis 49-jährigen war. Der Marktanteil gesamt lag bei 6% und in der angesprochenen Altersklasse bei 10,5%. D.h. die letzte Veranstaltung hatte die mit Abstand schlechteste Einschaltquote von allen. Das konnte man natürlich vorher nicht wissen.
Ich bin nun auch mal zum Promiboxen gegangen. Ich wollte mir das Treiben im Ring mal unter sportlichen Gesichtspunkten ansehen. Immerhin steigen hier doch Männer und Frauen in den Ring, die dafür trainiert haben.
Es ist relativ leicht, sich über diese Art von Veranstaltungen lustig zu machen. Und das muss man schon sagen, der Privatsender macht es einem Sportreporter auch sehr schwer, es nicht zu tun. Da treten Boxer in Kategorien – Gewichtsklassen kann man das nicht nennen – gegeneinander an, die da heißen: „Rosenklasse“, „K.O.-Klasse“, „Silikonklasse“ und „Gesichtsklasse“. Es gibt auch noch einen Einheizer, der vor der Veranstaltung Witze erzählt und singt. Einige der Witze fand ich so abgeschmackt, dass ich schon überlegt habe, ob besagter Herr bei einem anderen Publikum nicht womöglich Prügel dafür bekäme. Aber den Zuschauern gefiel es offensichtlich.
Die Bezeichnung Promi kann man als umgangssprachliche Kurzform für „Prominenter“ verstehen. Wikipedia definiert: „Der Ausdruck Prominenz (v. lat.: prominentia = das Hervorragende; aus pro minere) wird im Alltag meist zur Bezeichnung der Gesamtheit von herausragenden Persönlichkeiten verwendet, kann aber auch neutral das wie immer erworbene Ausmaß der individuellen Bekanntheit in der Öffentlichkeit meinen:“ Leider kannte ich von den acht auftretenden Prominenten (Jan Kralitschka, Christian Tews, Trooper da Don, Thorsten Legat, Jordan Carver, Melanie Müller, Lukas Cordalis und Marcus Schenkenberg) nur den Ex-Fußballer Legat. Aber ich bin mir sehr sicher, dass es alles herausragende Persönlichkeiten sind und, dass ich sie nicht kenne, das ist bestimmt nur Zufall.
Die Runden dauerten bei den Männern zwei und bei den Frauen 1,5 Minuten. Die Rundenpausen dauerten so lange wie sie dauerten, bzw. so lange die Werbung dauerte, also mehrere Minuten. Der BDB, der Bund deutscher Berufsboxer, beaufsichtigte die Kämpfe. Ich bin allerdings überfragt, wieso der älteste Profiboxerverband in Deutschland das nun meinte machen zu müssen. Weder erfüllten die Boxer die Kriterien für eine Lizenzierung als Profis, noch waren die Kämpfe regelkonform. Aber der BDB nahm die Veranstaltung offensichtlich auch nicht sonderlich ernst. Ringrichter Jürgen Langos holte wohl während einer Ringpause, die zugegebenermaßen auch übertrieben lang war, sein Mobiltelefon heraus.
Aber noch beschämender war, dass der BDB es, meiner Meinung nach, selbst beim Promiboxen nicht geschafft hat, richtig zu punkten. Die Wertung für den ersten Kampf war nämlich – wie gesagt, meiner Meinung nach – ein Skandal. Der Experte von Pro7, Axel Schulz, formulierte es etwas höflicher. Vielleicht waren die Punktrichter und der Präsident des BDB, Thomas Pütz, ja zu sehr mit ihren Mobiltelefonen beschäftigt. Wie man den ersten Kampf hat Unentschieden werten können, ist mir ehrlich schleierhaft.
Was mich an diesem Punkturteil besonders erschüttert, ist, dass selbst bei einer Promiboxveranstaltung, bei der es ja schließlich um nichts geht und wo die Punktrichter auch nicht unter Druck stehen, die Punktwertung der BDB Punktrichter nicht, jedenfalls nicht nach Meinung der Mehrheit der Zuschauer und derjenigen, die etwas vom Boxen verstehen, den Kampfverlauf widerspiegelt. Das ist empfinde ich schon als ein verheerendes Signal nach außen.
Jan Kalitschka und Christian Tews, beide wohl von Beruf Bachelors, was immer das auch sein mag, boxten sechs Runden. Kralitschka war offensichtlich derjenige, der bei seinem Training mehr gelernt hatte. Das kann natürlich auch an seiner exquisiten Ecke liegen, in der Walter und Thomas Knieps standen. Kalitschka gewann die ersten vier Runden deutlich. Es beschlich mich dabei allerdings das Gefühl, dass er nicht vorzeitig gewinnen wollte. Mehrfach hatte er Tews deutlich erschüttert. Er setzte jedoch nicht nach und gab seinem Gegenüber somit Zeit, sich zu erholen. Die letzten zwei Runden gingen an Tews, der über Kampf und Willen die Runden holte.
Im zweiten Kampf traten Trooper da Don, ein Moderator und Sänger, und Thorsten Legat gegeneinander an. Auch hier zeigte sich, dass ein wirklich guter Trainer schon von Vorteil ist. In da Dons Ecke stand immerhin Conny Mittermeier, und er hatte seinem Schützling auch einiges beigebracht. Letztlich konnte er, trotz besserer Technik, dem Druck von Legat aber nicht widerstehen. Dabei sollte man noch erwähnen, dass der Gewichtsunterschied von 8 KG schon erheblich war. Legat gewann nach Punkten.
Im dritten Kampf des Abends traten Jordan Carver und Melanie Müller gegeneinander an. Craver ist wohl von Beruf Yoga-Jordan und Müller Dschungelkönigin. Auch diese Berufe kenne ich nicht. Das was die beiden gezeigt haben, kenne ich auch nicht. Mit Boxen jedenfalls hatte das genauso viel zu tun wie mit Schlammcatchen. Es war aber im Ring kein Schlamm. Wer gewonnen hat, kann ich nicht sagen, weil ich während der Siegerehrung schon auf dem Heimweg war. Daher verpasste ich auch den letzten Kampf zwischen Lukas Cordalis und Marcus Schenkenberg – was ich übrigens nicht bedauere – und den Auftritt der Guano Apes – was ich schon bedauere.
Als Erfahrung kann ich verbuchen: Beim Promiboxen steigen Männer und Frauen in den Ring, die unter normalen Umständen, d.h. bei gleichem Trainingsaufwand in einem Gym, mit einem verantwortungsvollen Trainer, noch nicht einmal Sparring machen dürften. Das, was diese Prominenten zeigten, hatte nur entfernt mit Boxen zu tun. Was daran erschütternd ist, ist die Tatsache, dass Promiboxen so viele Zuschauer anzieht. Die Arena in Düsseldorf schien nahezu ausverkauft – und das bei einer Veranstaltung, deren sportlicher Wert so ziemlich gegen Null geht. Möglicherweise ist die Faszination fürs Promiboxen zu vergleichen mit der Faszination bei Autounfällen. Sie sind schrecklich, aber viele wollen sie auch sehen.
© Uwe Betker

Klatschen üben

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Ich kann von mir sagen: Ich bin dabei gewesen, als ProSieben glaubte, mit Boxen seine Zielgruppe treffen zu können. Wenn ProSieben ein solches Projekt schon in die Hand nimmt, dann wird daraus auch gleich eine „ProSieben Fight Night“, die dann natürlich auch in einer „Fight Night Arena“ stattfindet. Diese Arena war allerdings nichts anderes als ein Fernsehstudio der Firma Brainpool TV GmbH in Köln-Mühlheim, die zu einem nicht unerheblichen Teil Stefan Raab gehört. Wie wohl vom TV-Sender auch geplant, erzeugte das relativ kleine Fernsehstudio die Atmosphäre einer kleinen Halle.
Während ich noch der Wiederbelebung des klassischen Freitagabend-Termins für Boxen mit großer Spannung entgegen fieberte, wurde schnell klar – hier geht es nicht ums Boxen. Die „Fight Night“ war eine neue Art von Stefan-Raab-Show. Dieses Missverständnis hatte Folgen.
Es war für mich eine regelrechte Tortur, und nicht nur wegen des Niveaus der Kämpfe. Ich gebe zu, dass ich mir vorab keine Gedanken darüber gemacht habe, was es heißt wenn Stefan Raab in Boxen macht. Da wird nichts dem Zufall überlassen. Vor allem nicht die Reaktion der Zuschauer. Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, und das kann natürlich passieren bei einer Überdosis Stefan Raab, wurde eigentlich die ganze Zeit Klatschen geübt.
Erst kam ein „Anheizer“, sozusagen ein Raab-Dummy, die Showtreppe herunter. Über den Applaus freute er sich, aber er war noch nicht gut genug, deshalb musste er immer wieder und wieder mit dem Publikum geübt werden. Zur Auflockerung erzählte er dann an Raab gestählte Witze.
Zur Generalprobe kam dann Stefan Raab persönlich die Showtreppe herunter und zeigte sein unvergleichliches, die Zähne entblößendes Lächeln. Auch ihm war der Applaus sehr wichtig und vor allen Dingen noch nicht enthusiastisch genug. Daher musste auch er mit dem untalentierten Zuschauer noch weiter üben. Besonderen Wert legte der lächelnde Raab darauf, dass, sobald er dem Publikum Zeichen gab, mit dem Klatschen aufzuhören, der Applaus noch lauter und ekstatischer werden sollte, um schließlich in einem Orkan zu enden.
Raab war so phantastisch darin, die Treppe herunter zu kommen, mit den Zuschauern zu reden und ständig lächelnd seine Zähne zu zeigen, dass alle Mitarbeiter von Brainpool in der Halle, wenn sie denn nicht arbeiten mussten, vor Begeisterung die Hände gegeneinander schlugen und das Publikum animierten, ihre Anstrengungen im Klatschen zu verstärken. Wenn schon Mitarbeiter von Raab, die ihn vermutlich schon öfters life erleben durften, bei seinem Auftritt so aus dem Häuschen gerieten, dann kann man sich ungefähr vorstellen, wie großartig er an diesem Abend war.
Geboxt wurde auch. Es gab einen Kampf von Frau Kentikian. Dabei hatte ich aber eher die Assoziation, einen Duracell-Hasen zu sehen. Aber vielleicht war ich einfach nur vom Klatschenüben zu entkräftet, um noch etwas richtig wahrnehmen zu können.
© Uwe Betker

Written by betker

11. Oktober 2010 at 23:59