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Eine Schwergewichtsweltmeisterschaft in Deutschland nebst Vorprogramm

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Die Arena in Oberhausen war am 26.11.2017 der Austragungsort für die WBA Weltmeisterschaft im Schwergewicht. Die Halle war gut gefüllt, aber nicht ausverkauft. Vermutlich mochten zu wenige Manuel Charr zutrauen, Weltmeister zu werden.
Insgesamt waren fünf Kämpfe zu sehen. Den Anfang machten Mohammed Berkdash (12 Kämpfe, 12 Siege, 9 durch KO) und Istvan Zeller (57 Kämpfe, 38 Siege, 12 durch KO, 19 Niederlagen, 13 durch KO) mit einem Sechsrunder im Halbschwergewicht. Der Rechtsausleger Berkdash beherrschte die Ringmitte und trieb sein Gegenüber vor sich her. Der versuchte vor allem, dem Schlagabtausch zu entgehen. Es gab nur zwei erwähnenswerte Aktionen in der ersten Runde und bei diesen hatte Zeller schon Schwierigkeiten. In der zweiten Runde ging Zeller nach einem rechten Kopfhaken runter und BDB Ringrichter Jürgen Langos zählte bis acht. In der dritten Runde nutzte Zeller dann jede Gelegenheit, Zeit zu gewinnen, indem er zu Boden glitt, weil er sich runter gedrückt oder geschubst fühlte. In der vierten Runde meine ich gesehen zu haben, dass er einmal zurückschlug. Kaum war das aber geschehen, rutschte er, angeblich geschoben, durch die Ringseile. In der fünften Runde wurde Zeller, dann mal ein Punkt abgezogen für seine Verzögerungstaktik. Er hatte es geschafft, mehrfach mit Kopf und Oberkörper durch die Seile zu gehen. In der sechsten Runde wackelte der Pazifist Zeller noch mehrfach, aber er erreicht den Schlussgong. Bemerkenswert an dem Kampf war die stoische Ruhe, mit der Berkdash zu Werke ging. Er ließ sich kaum irritieren und boxte einfach seinen Kampf. Einstimmiger Punktsieger: Mohammed Berkdash.
Anschließend stiegen Ryan Hatton (2 Kämpfe, 2 Siege, 2 durch KO) und Attial Orsos (39 Kämpfe, 14 Siege, 8 durch KO, 23 Niederlagen, 20 durch KO, 1 Unentschieden) für einen Vierrunder im Halbschwergewicht in den Ring. Der Kampf gestaltete sich ganz anders als der vorangegangene. Beide stellten sich nämlich zum Kampf. Hatton boxte sauber und verteilte gut. Eine Linke zum Körper kombiniert mit einer Rechten zum Kopf fällte Orsos das erste Mal. Kurze Zeit später kam Hatton mit einem harten Leberhaken durch und Langos zählte durch. Sieger durch KO in Runde 1, nach 1:53 Minuten: Ryan Hatton.
Im Superfedergewicht trafen sodann Marek Jerzejewski (13 Kämpfe, 13 Siege, 12 durch KO) und Karoly Gallovich (16 Kämpfe, 10 Siege, 6 Niederlagen, 5 durch KO) für einen Achtrunder aufeinander. Der Kampf war kurz und knackig. Jerzejewski stellte seinen Gegner direkt in seiner Ecke und fällte ihn mit Körperhaken. Gallovich stellte sich wieder, wurde wieder gestellt und ging nach brutalen Körperhaken erneut zu Boden. Ringrichter Maurizio Rinaudo zählte den sich vor Schmerzen auf dem Boden krümmenden Gallovich aus. Sieger durch KO in Runde 1, nach 49 Sekunden: Marek Jerzejewski.
Sam Maxwell (4 Kämpfe, 4 Siege, 3 durch KO) und Ozcar Fiko (54 Kämpfe, 29 Siege, 15 durch KO, 24 Niederlagen, 11 durch KO, 1 Unentschieden) maßen ihre Kräfte in einem Sechsrunder im Superleichtgewicht. Maxwell machte von der ersten Sekunde an Druck. Er zeigte gutes Boxen, eine schöne Führhand und er verteilte gut. Nach ca. zwei Minuten lief Fiko in eine Rechte von Maxwell hinein und ging zu Boden. Er schaffte es, wieder hoch zu kommen und das Ende der Runde zu erreichen. In der zweiten Runde erhöhte Maxwell den Duck, aber Fiko hielt dagegen. Fiko boxte tapfer und versuchte, sich mit Schwingern und indem er in den Gegner hereinstürmte Maxwell vom Hals zu halten. In der nächsten Runde kam Maxwell aber wieder mit einer harten Rechten zum Kopf durch, die Fiko einknicken und seinen Mundschutz verlieren ließ. Dadurch dass der Mundschutz erst mal gesäubert und wieder eingeschoben werden musste, gewann Fiko zwar Zeit, aber es nutzte ihm nichts. Kurze Zeit später fiel er krachend auf die Bretter. Ein rechter Kopfhaken hatte ihn gefällt. Fiko kam zwar wieder hoch und stellte sich dem Kampf, aber noch weitere Treffer zu Körper und Kopf ließen ihn zu Boden sinken. Der Ringrichter stoppte den Kampf.
Sieger durch KO in Runde 3, nach 1:50 Minuten: Sam Maxwell.
Nach einer einstündigen Pause kam dann der Hauptkampf. Es war natürlich die WBA Weltmeisterschaft im Schwergewicht zwischen Manuel Charr (35 Kämpfe, 31 Siege, 17 durch KO, 4 Niederlagen, 3 durch KO) und Alexander Ustinov (36 Kämpfe, 34 Siege, 25 durch KO, 2 Niederlage). Es war Ustinov, der in den ersten drei Runden den Kampf machte. Er beherrschte weitestgehend die Ringmitte und trieb Charr vor sich her. Er nutzte seinen Reichweitenvorteil. Charr dagegen boxte verhalten. Er verschanzte sich hinter seiner Doppeldeckung und konterte selten. In der zweiten Runde fing Ustinov dann an, seine Führhand fallen zu lassen, um Charr zu einer Aktion zu verleiten. Ustinov sah bis dahin aus, wie der sichere Sieger. In der dritten Runde zog Charr sich einen Cut über dem linken Auge zu. Das veranlasste Charr nun, mehr zu machen und er kam auch mit schönen einzelnen Händen ins Ziel.
In der vierten Runde übernahm Charr das Kommando im Ring. Er kam mehrfach mit seiner linken Graden und seinem rechten Cross durch. Er ging mehr in den Infight, wo er punktete und Ustinov passiv blieb. Der Kampf hatte sich gedreht. In der folgenden Runde bestimmte Charr den Kampf und Ustinov konnte ihn sich nicht mehr vom Hals halten. Ustinovs Manager Wlad Runow, der bis dahin ruhig am Ring gesessen hatte, hielt es auf seinem Platz nicht mehr aus. Er ging in die Ecke seines Schützlings und brüllte in den Ring. In der sechsten Runde versuchte Ustinov mit der ausgestreckten Führhand den Abstand zu Charr zu halten. Dieser wich aber nach rechts aus und brachte eine Rechte zum Kopf durch. Das veranlasste Ustinov dazu, diesen Klitschko-Trick nicht mehr zu versuchen. Nach ca. einer Minute des siebten Durchgangs nahm Ustinov einen linken Haken zum Kinn, der ihn einknicken ließ. Danach nahm er immer wieder Schläge, die ihn auch mehrfach einknicken ließen. Er fiel aber nicht. Am Ende der nächsten Runde brachte ein knackiger linker Kinnhaken Ustinov schließlich zu Boden. Der gute WBA Ringrichter Tony Weeks zählte acht und dann war auch schon die Runde zu Ende. In der neunten Runde trieb Charr seinen Gegner vor sich her und suchte die Lücke. Er suchte den KO. Der aber kam nicht. Manager Runow verließ währenddessen die Halle. Zu Beginn der zehnten Runde tanzte Charr nur noch um Ustinov herum, ohne ihn anzugreifen. Er zeigte ihm, dass er nicht müde war und sehr viel schneller als sein Gegner. Bis zum Schlussgong verwaltete und baute Charr seinen Punktevorsprung aus, ohne noch ein großes Risiko zu gehen. Zur letzten Runde kam Runow wieder.
Am Ende stand ein einstimmiger und recht deutlicher Punktsieg (Stefano Carozza 115:111, John Porturaj 116:111, Stanley Christodolou 115:112) für Manuel Charr. Seine ersten Worte zu den Zuschauern in der Halle lauteten: „Deutschland ist Weltmeister!“
© Uwe Betker

Ein Versuch, Promiboxen als Sport zu sehen

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Samstag, dem 27. September, fand in Düsseldorf das große ProSieben Promiboxen statt. Das Fernsehformat „Promiboxen“ wird bereits von RTL und SAT 1 benutzt. Die letzte Veranstaltung erreichte immerhin insgesamt 1,54 Millionen Zuschauer, von denen weit über die Hälfte, nämlich 990.000, in der Altergruppe der 14- bis 49-jährigen war. Der Marktanteil gesamt lag bei 6% und in der angesprochenen Altersklasse bei 10,5%. D.h. die letzte Veranstaltung hatte die mit Abstand schlechteste Einschaltquote von allen. Das konnte man natürlich vorher nicht wissen.
Ich bin nun auch mal zum Promiboxen gegangen. Ich wollte mir das Treiben im Ring mal unter sportlichen Gesichtspunkten ansehen. Immerhin steigen hier doch Männer und Frauen in den Ring, die dafür trainiert haben.
Es ist relativ leicht, sich über diese Art von Veranstaltungen lustig zu machen. Und das muss man schon sagen, der Privatsender macht es einem Sportreporter auch sehr schwer, es nicht zu tun. Da treten Boxer in Kategorien – Gewichtsklassen kann man das nicht nennen – gegeneinander an, die da heißen: „Rosenklasse“, „K.O.-Klasse“, „Silikonklasse“ und „Gesichtsklasse“. Es gibt auch noch einen Einheizer, der vor der Veranstaltung Witze erzählt und singt. Einige der Witze fand ich so abgeschmackt, dass ich schon überlegt habe, ob besagter Herr bei einem anderen Publikum nicht womöglich Prügel dafür bekäme. Aber den Zuschauern gefiel es offensichtlich.
Die Bezeichnung Promi kann man als umgangssprachliche Kurzform für „Prominenter“ verstehen. Wikipedia definiert: „Der Ausdruck Prominenz (v. lat.: prominentia = das Hervorragende; aus pro minere) wird im Alltag meist zur Bezeichnung der Gesamtheit von herausragenden Persönlichkeiten verwendet, kann aber auch neutral das wie immer erworbene Ausmaß der individuellen Bekanntheit in der Öffentlichkeit meinen:“ Leider kannte ich von den acht auftretenden Prominenten (Jan Kralitschka, Christian Tews, Trooper da Don, Thorsten Legat, Jordan Carver, Melanie Müller, Lukas Cordalis und Marcus Schenkenberg) nur den Ex-Fußballer Legat. Aber ich bin mir sehr sicher, dass es alles herausragende Persönlichkeiten sind und, dass ich sie nicht kenne, das ist bestimmt nur Zufall.
Die Runden dauerten bei den Männern zwei und bei den Frauen 1,5 Minuten. Die Rundenpausen dauerten so lange wie sie dauerten, bzw. so lange die Werbung dauerte, also mehrere Minuten. Der BDB, der Bund deutscher Berufsboxer, beaufsichtigte die Kämpfe. Ich bin allerdings überfragt, wieso der älteste Profiboxerverband in Deutschland das nun meinte machen zu müssen. Weder erfüllten die Boxer die Kriterien für eine Lizenzierung als Profis, noch waren die Kämpfe regelkonform. Aber der BDB nahm die Veranstaltung offensichtlich auch nicht sonderlich ernst. Ringrichter Jürgen Langos holte wohl während einer Ringpause, die zugegebenermaßen auch übertrieben lang war, sein Mobiltelefon heraus.
Aber noch beschämender war, dass der BDB es, meiner Meinung nach, selbst beim Promiboxen nicht geschafft hat, richtig zu punkten. Die Wertung für den ersten Kampf war nämlich – wie gesagt, meiner Meinung nach – ein Skandal. Der Experte von Pro7, Axel Schulz, formulierte es etwas höflicher. Vielleicht waren die Punktrichter und der Präsident des BDB, Thomas Pütz, ja zu sehr mit ihren Mobiltelefonen beschäftigt. Wie man den ersten Kampf hat Unentschieden werten können, ist mir ehrlich schleierhaft.
Was mich an diesem Punkturteil besonders erschüttert, ist, dass selbst bei einer Promiboxveranstaltung, bei der es ja schließlich um nichts geht und wo die Punktrichter auch nicht unter Druck stehen, die Punktwertung der BDB Punktrichter nicht, jedenfalls nicht nach Meinung der Mehrheit der Zuschauer und derjenigen, die etwas vom Boxen verstehen, den Kampfverlauf widerspiegelt. Das ist empfinde ich schon als ein verheerendes Signal nach außen.
Jan Kalitschka und Christian Tews, beide wohl von Beruf Bachelors, was immer das auch sein mag, boxten sechs Runden. Kralitschka war offensichtlich derjenige, der bei seinem Training mehr gelernt hatte. Das kann natürlich auch an seiner exquisiten Ecke liegen, in der Walter und Thomas Knieps standen. Kalitschka gewann die ersten vier Runden deutlich. Es beschlich mich dabei allerdings das Gefühl, dass er nicht vorzeitig gewinnen wollte. Mehrfach hatte er Tews deutlich erschüttert. Er setzte jedoch nicht nach und gab seinem Gegenüber somit Zeit, sich zu erholen. Die letzten zwei Runden gingen an Tews, der über Kampf und Willen die Runden holte.
Im zweiten Kampf traten Trooper da Don, ein Moderator und Sänger, und Thorsten Legat gegeneinander an. Auch hier zeigte sich, dass ein wirklich guter Trainer schon von Vorteil ist. In da Dons Ecke stand immerhin Conny Mittermeier, und er hatte seinem Schützling auch einiges beigebracht. Letztlich konnte er, trotz besserer Technik, dem Druck von Legat aber nicht widerstehen. Dabei sollte man noch erwähnen, dass der Gewichtsunterschied von 8 KG schon erheblich war. Legat gewann nach Punkten.
Im dritten Kampf des Abends traten Jordan Carver und Melanie Müller gegeneinander an. Craver ist wohl von Beruf Yoga-Jordan und Müller Dschungelkönigin. Auch diese Berufe kenne ich nicht. Das was die beiden gezeigt haben, kenne ich auch nicht. Mit Boxen jedenfalls hatte das genauso viel zu tun wie mit Schlammcatchen. Es war aber im Ring kein Schlamm. Wer gewonnen hat, kann ich nicht sagen, weil ich während der Siegerehrung schon auf dem Heimweg war. Daher verpasste ich auch den letzten Kampf zwischen Lukas Cordalis und Marcus Schenkenberg – was ich übrigens nicht bedauere – und den Auftritt der Guano Apes – was ich schon bedauere.
Als Erfahrung kann ich verbuchen: Beim Promiboxen steigen Männer und Frauen in den Ring, die unter normalen Umständen, d.h. bei gleichem Trainingsaufwand in einem Gym, mit einem verantwortungsvollen Trainer, noch nicht einmal Sparring machen dürften. Das, was diese Prominenten zeigten, hatte nur entfernt mit Boxen zu tun. Was daran erschütternd ist, ist die Tatsache, dass Promiboxen so viele Zuschauer anzieht. Die Arena in Düsseldorf schien nahezu ausverkauft – und das bei einer Veranstaltung, deren sportlicher Wert so ziemlich gegen Null geht. Möglicherweise ist die Faszination fürs Promiboxen zu vergleichen mit der Faszination bei Autounfällen. Sie sind schrecklich, aber viele wollen sie auch sehen.
© Uwe Betker

Eine wirklich gute Show in Mühlheim

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Das SES Boxing von Ulf Steinforth veranstaltete am 07.09.2012 in der RWE-Sporthalle in Mülheim an der Ruhr – und es war eine gute Veranstaltung. Den Auftakt bildeten zwei Aufbaukämpfe, die beide über die Runden gingen. Im Super Weltergewicht bekam es der ungeschlagene Deniz Yilbay (4 Kämpfe, 4 Siege, 3 durch KO) aus Köln mit Michal Vosyka (3 Kämpfe, 1 Sieg, 2 Niederlagen, 1 durch KO) aus Kladno, Tschechien zu tun. Yilbay zeigte zum Teil eine schöne Doppeldeckung und einen schönen Jab. Er war explosiver und in technischen Belangen seinem Gegner überlegen. Erstaunlich an diesem 6-Runder war, dass er überhaupt so lange ging. Immer wieder stellte Yilbay Vosyka in einer Ecke, aber seine Schläge erzielten keine Wirkung. Dabei hatte er seine vorherigen drei Kämpfe alle vorzeitig gewonnen. Der erst 18-jährige Yilbay wirkte auf mich etwas verspielt und seine Aktionen nicht immer überlegt. Dennoch gewann er jede Runde. Die Punktrichter werteten: 80:54, 80:54 und 59:55.
Im Weltergewicht boxte Sergio Vartanov (13 Kämpfe, 12 Siege, 5 durch KO, 1 Niederlage) gegen Jan Balog (11 Kämpfe, 2 Siege, 9 Niederlagen, 2 durch KO). Der SES Boxer Vartanov aus Georgien war dem kurzfristig eingesprungen Balog aus Tschechien in allen Bereichen überlegen. Er zeigte technisch schönes Boxen. Erstaunlich war, das Balog nicht KO ging, obwohl er mehrfach harte Treffer nehmen musste und in der 6. und letzten Runde sogar angezählt wurde. Alle Punktrichter werteten 60:53 für Vartanov.
Im dritten Kampf des Abend gab nach mehr als zwei Jahren Pause der düsseldorfer Schwergewichtler Markus Tomala (10 Kämpfe, 8 Siege, 3 durch KO, 2 Niederlagen) sein Comeback. Sein Gegner, Tomas Mrazek (49 Kämpfe, 7 Siege, 5 durch KO, 36 Niederlagen, 12 durch KO, 6 Unentschieden), war ein ernsthafter Prüfstein. Der Tscheche ist ein Handlungsreisender in Sachen Boxen, der sein Handwerk wirklich versteht.
Tomala zeigte in den ersten beiden Runden gutes Boxen. Seine Führhand kam gut. Immer wieder traf seine Schlaghand. Jedoch fehlte ein wenig die Spritzigkeit, was wohl seiner Pause geschuldet ist. Seine Meidbewegungen verhinderten, dass er getroffen wurde. Dann öffnete im dritten Durchgang ein Kopfstoß einen langen vertikalen Riss in der linken Augenbraue an der Nasenwurzel, der stark blutete. Mrazek suchte daraufhin in der vierten Runde seine Chance. Er versuchte mit nahezu allen Mitteln, den Cut zu vergrößern oder zumindest wieder zu öffnen. Aber bereits in der Mitte der Runde war Tomala wieder Herr im Ring und wurde dann von Runde zu Runde stärker. Am Ende gewann er einstimmig und deutlich den Sechsrunder nach Punkten. Die Punktrichter werteten: 60:54, 59:55 und 59:56.
Hätte Tomala nicht eine mehr als zweijährige Pause gehabt, wäre sein Sieg sicher nur ein guter Arbeitssieg gewesen. So aber, auch wie er die Situation mit seinem Cut meisterte, war es ein wirklich beeindruckendes Comeback.
Im vierten Kampf gab es eine Sensation. Der SES Boxer Denis Smcic (30 Kämpfe, 28 Siege, 14 durch KO, 2 Niederlagen, 2 durch KO) sollte eigentlich nur seinen gerade gewonnen Europameistertitel der WBO im Halbschwergewicht, was immer das auch sein mag, gegen einen leichten Gegner, nämlich Jonathan Profichet (22 Kämpfe, 14 Siege, 9 durch KO, 8 Niederlagen, 2 durch KO) verteidigen. Ganz überraschend wurde dann aber der slowenische Titelverteidiger Simcic buchstäblich von seinem französischen Herausforderer überrollt. Profichet griff mit einem Schlaghagel an und drängte damit Smcic in eine Ecke. Dort kam er dann auch noch mit einer Rechten zur Schläfe durch, die Smcic zu Boden zwang. Zwar kam Smcic noch einmal hoch, aber er torkelte nur noch durch den Ring. Der Franzose ließ sich seine Chance nicht nehmen und deckte den Europameister mit Schlägen nur so ein. Ringrichter Frank-Michael Maaß brach den Kampf, der keiner mehr war, nach 2:47 Minuten ab. Der TKO-Sieger Jonathan Profichet konnte sein Glück kaum fassen.
Der folgende Kampf, der auch im Halbschwergewicht stattfand, hatte boxerisch einen hohen Unterhaltungswert. Der ungeschlagene Christian Hiller bekam es mit dem notorischen Verlierer Dominic Amari (17 Kämpfe, 6 Siege, 2 durch KO, 11 Niederlagen, 8 durch KO)zu tun. Amari hatte seine letzten 7 Kämpfe in Folge verloren. Nur ein einziges Mal hatte er dabei überhaupt nur den Schlussgong erreicht. Und dieser Amari nun ging hin und ließ Hiller keine Chance. Hiller, wie immer aggressiv boxend und seinem Gegner physisch überlegen, versuchte zu keilen und Amari konterte. Mit jedem Konter, den Amari ins Ziel brachte wurde er selbstbewusster und Hiller rat- und konzeptloser. Hiller (9 Kämpfe, 7 Siege, 6 durch KO, 1 Niederlage, 1 Unentschieden) versuchte den Kampf dann ruppiger zu führen. Er schupste seinen Gegner in die Seile und drückte dann seinen Unterarm gegen seinen Hals – so in der 4. Runde. Oder er schupste und schlug dann – so in der 5. Runde. Es half aber nichts. In der 6. und letzten Runde kam er sogar nach einem Schwinger ins Torkeln.
Die Punktrichter Frank-Michael Maaß (58:56), Jürgen Langos (59:55) und Oliver Brien (59:55) sahen alle zu Recht Amari als Sieger. Hier möchte ich ausdrücklich die genannten Punktrichter dafür loben, dass sie den Kampfverlauf durch ihr Punkten exakt wiedergegeben haben und der Versuchung widerstanden haben, für den Lokalmatador und ungeschlagenen Boxer zu punkten.
Im folgenden Kampf verteidigte Christina Hammer (13 Kämpfe, 13 Siege, 7 durch KO) erfolgreich ihre Weltmeistertitel der WBO und WBF im Mittelgewicht. Ihre Gegnerin Yahaira Hernandez (15 Kämpfe, 11 Siege, 5 durch KO, 4 Niederlagen, 1 durch KO) hatte kein Chance gegen die Titelverteidigerin. Die aus der Dominikanischen Republik stammende Hernandez hatte ihren vorletzten Kampf, den sie Ende 2008 bestritten hatte, verloren. Danach hatte sie drei Jahre nicht mehr geboxt, um dann, Ende letzten Jahres, einen Vierrunder nach Punkten zu gewinnen. Hernandez hatte der in Kasachstan geborenen Hammer, außer ihrer Tapferkeit, denn auch nicht viel entgegen zu setzen. Sie wurde deklassiert und musste sogar zweimal zu Boden.
Hammer, die einen KO versprochen hatte, konnte ihr Versprechen nicht einhalten. Sie gewann aber die einseitige Begegnung deutlich nach Punkten. Die Wertung: Frank-Michael Maaß (100:85), Zoltan Enyedi (100:85) und Manfred Küchler (100:85).
Auf der Pressekonferenz kündigte Hammer zusammen mit ihrem Veranstalter Ulf Steinforth an, in Zukunft eine Gewichtsklasse tiefer zu gehen und im Junior Mittelgewicht anzutreten. Sie meinten, dort seien die interessanten und starken Gegnerinnen zu finden.
Im Hauptkampf des Abends trafen die beiden Schwergewichtler Francesco Pianeta (28 Kämpfe, 27 Siege, 14 durch KO, 1 Unentschieden) und Francois Botha (60 Kämpfe, 48 Siege, 29 durch KO, 8 Niederlagen, 7 durch KO, 3 Unentschieden)aufeinander. Der 43 Jahre alte Ringfuchs Botha war vor dem Kampf sehr entspannt. Noch wenige Minuten vor dem Kampf ließ er Fotografen in seine Kabine und ließ sich ablichten. Dann bestieg er ein Quad, das einem Rollator ähnelte, und ließ sich zum Ring fahren.
Der Kampf selber war interessant. Pianeta war, wie nicht anders zu erwarten war, der schnellere und aktivere Boxer. Er setzte seinen Gegner von Anfang an unter Druck. Er arbeitete konsequent zum doch füllig gewordenen Körper von Botha. Immer wieder kam er auch mit Schlägen zum Kopf durch.
Botha versuchte erst gar nicht, Körperschläge zu vermeiden, sondern er nahm sie mit stoischer Ruhe. Besonders interessant war zu sehen, wie er zum Teil schon im Ansatz die möglichen Angriffe von Pianeta erkennen konnte und durch ein Minimum an Aufwand von Körper- oder Kopfbewegung im Keim erstickte. Botha kam sogar einige Male mit seinen Schlägen durch.
Der Kampf war, obwohl er recht einseitig war, – schon deshalb weil Pianeta so stark und konzentrierte boxte – gut und unterhaltsam. Der Punktsieg für Francesco Pianeta war einstimmig. Die Wertung: Andre van Grootenbruel (99:92), Zoltan Enyedi (100:96) und Frank-Michael Maaß (97:93).
© Uwe Betker

Ein schwächelnder König der Spartaner, ein halbtalentierter Faxenmacher und andere (1)

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Die Veranstaltung von Sturm Box-Promotion in Köln am 25.06.2011 begann für mich mit einer Enttäuschung. Der für den ersten Kampf angekündigte Mario Lupp fiel aus. Braucht irgendjemand einen Sieg in seinem Kampfrekord, Lupp kommt und verliert. Der Kampfrekord 64 Kämpfe, 6 Siege, keinen durch KO, 56 Niederlagen, 20 durch KO und 1 Unentschieden spricht für sich. Zurzeit kann er 25 Niederlagen in Folge vorweisen. Manche sprechen hier von Fallobst. Mir nötigt er einfach nur Respekt ab.
So musste Tiran Mkrtschjan sein Profidebüt im Supermittelgewicht gegen einen geben, dessen Name ich nicht mitbekommen habe und auch nicht herausfinden konnte. Daher nenne ich ihn einfachheitshalber X. – Vermutlich ist der Wunsch der Pressevertreter nach einem Blatt Papier, auf dem die aktuelle Kampffolge abzulesen ist, für Sturm Box-Promotion nicht realisierbar. Der Kampf selbst jedenfalls zwischen Mkrtschjan und X, der auch sein Profidebüt gab, war über weite Strecken einfach ereignislos. Mkrtschjan, dem man ansieht, dass er eigentlich ein Kickboxer und kein Boxer ist, punktete mit Links-Rechts-Kombinationen und X mit Einzelschlägen zum Kopf. Ab der zweiten Runde versuchte sich Mkrtschjan als Faxenmacher. Er provozierte X, streckte sein Kinn vor, stand ohne Deckung herum, ließ seine Faust kreisen und versuchte den Naseem Hamed zu geben. Immerhin wurde durch die Showeinlagen der Kampf ein kleines bisschen kurzweiliger. Spätestens als Mkrtschjan dann seinen Mundschutz verlor, wurde mir klar, als er mal wieder seine Zunge herausstreckte, wurde allen klar, dass die berufliche Zukunft von Mkrtschjan nicht die des Faxenmachers sein kann. Ob aus dem 25-jährigen Kickboxer noch ein Boxer wird, wird sich zeigen. Jedenfalls reichte es hier zu einem einstimmigen Punktsieg.
Der Mittelgewichtler Manuel Flaißt (3 Kämpfe, 3 Siege, 2 durch KO) blieb auch in seinem vierten Kampf ungeschlagen. Bevor der Kampf aber beginnen konnte, musste der Ringrichter die Ecke von Flaißt erst einmal darüber aufklären, dass man einen Mundschutz zum Boxen braucht, auch wenn man gegen einen sehr-sehr schwachen Gegner antritt. Das hatte dann zur Folge, dass ein Betreuer loslaufen musste, um diesen unnötigen Gegenstand aus der Kabine zu holen, was natürlich seine Zeit dauerte. Aber eigentlich hätte Flaißt den Mundschutz tatsächlich gar nicht gebraucht, denn sein Gegner Torsten Roos (8 Kämpfe, 1 Sieg, 7 Niederlagen, 6 durch KO), der in keiner Rangliste geführt wird, versuchte erst gar nicht zu kämpfen. Roos konzentrierte sich auf seine Doppeldeckung. Wie beim Sandsacktraining schlug Flaißt schöne präzise Kombinationen. Er verteilte seine Schläge schön auf Körper und Kopf. Im zweiten Durchgang zwang ein Körpertreffer Roos dann zu Boden. Hiernach wurde er erst durch den Ring und dann durch die Ringseile getrieben. Der gut und unauffällig agierende Jürgen Langos brach dann endlich dieses unsägliche Mismatch ab.
Der erste richtige Boxkampf des Abends fand zwischen Adnan Redzovic und Werner Kreiskott im Schwergewicht statt. Der bereits 34 Jahre alte Bosnier Redzovic (3 Kämpfe, 3 Siege, 1 durch KO) ist Kick- und Thaiboxer, was man ihm auch ansieht, der sich seit geraumer Zeit als Boxer versucht. Redzovic ist die Nummer 251 der unabhängigen Weltrangliste. Sein Gegner Kreikott, die Nummer 476 in der Welt, ist technisch noch limitierter als Redzovic, aber er ist tapfer. Kreiskott (27 Kämpfe, 10 Siege, 7 durch KO, 16 Niederlagen, 6 durch KO, 1 Unentschieden) ist der vielleicht tapferste deutsche Schwergewichtler überhaupt. Immer wieder versucht er, mit überfallartigen Attacken und weit hergeholten Schwingern Chancen zu nutzen, die er meist gar nicht hat. So war es auch diesmal. Er war in allen Belangen unterlegen, aber er kämpfte und suchte bis zum Schluss seine Chance, obwohl sein Gegner alles daran setzte, vorzeitig zu siegen. Am Ende stand ein klarer und glanzloser Punktsieg für Redzovic. Für Kreiskott aber war es ein großer moralischer Sieg.
Allein die Ansetzung der Mittelgewichtsbegegnung zwischen Mike Keta und Gökhan Kaya grenzt, jedenfalls für mich, an Körperverletzung. Keta (10 Kämpfe, 9 Siege, 8 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO) ist bereits die Nummer 160 in der Welt. Sturm Promotion vergleicht ihn sogar mit Mike Tyson. Und dann lässt man ihn gegen einen Mann wie Kaya boxen. Kaya (5 Kämpfe, 5 Niederlagen, 3 durch KO), der noch keinen einzigen Profikampf gewinnen konnte, wird noch nicht einmal in irgendeiner Rangliste geführt. Beide machten das, wofür sie bezahlt wurden. Keta verprügelte seinen Gegner und Kaya versuchte so lange wie möglich zu überleben. In der zweiten Runde wurde der Kampf, den man niemals hätte ansetzen dürfen, abgebrochen.
Tiran Mkrtschjan gegen X, Manuel Flaißt gegen Torsten Roos und Mike Keta gegen Gökhan Kaya sind drei Kämpfe von insgesamt sieben, die die Boxwelt definitiv nicht gebraucht hat. Ich würde schon gerne wissen, welcher Matchmaker für diese Kampfansetzungen verantwortlich ist und dafür auch noch Geld bekommen hat. Solche Kämpfe sind zu tolerieren bei Veranstaltungen, die insgesamt nur über ein Budget von ein paar Tausend Euro verfügen. Aber im Vorprogramm einer Weltmeisterschaft, in diesem Fall einer Titelverteidigung von Felix Sturm, sollte es solche Kämpfe aber nicht geben. Entweder will Felix Sturm so wenig Geld wie nur irgend möglich für das Vorprogramm ausgeben, oder er hat schlicht logistische Schwierigkeiten dabei, anständige Kämpfe für das Vorprogramm auf die Beine zu stellen. Wenn es nur das Letztgenannte ist, bin ich gerne bereit ihm zu helfen.
© Uwe Betker