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Profiboxen in der Schweiz – sehr edel

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Die Entwicklung geht eindeutig in Richtung kleiner Veranstaltungen. Es gibt kaum noch Boxer, die große Hallen oder gar Stadien füllen können. Einige Veranstalter verschenken die Eintrittskarten zu hunderten, um die Hallen für ihre TV Sender gefüllt aussehen zu lassen. So gewann unlängst praktisch jeder, der auf der Internetseite eines großen Discounters an einem Gewinnspiel teilnahm, Eintrittskarten. Einmal soll es sogar in Hamburgerbratereien zu jedem flachgedrückten Fleischklops ein Ticket dazu gegeben haben, sozusagen als zusätzlichen Belag. Die mittelgroße Halle war trotzdem nicht richtig voll.
Hieraus haben kluge Veranstalter ihre Konsequenzen gezogen. So geht dann auch einer der Marktführer schon mal in die Heimatstadt des Herausforderers, um die Halle voll zu bekommen. Oder es wird schlicht im kleineren Rahmen veranstaltet. Ballsäle von großen Hotelketten sind gute Orte für Boxveranstaltungen. Dementsprechend ist das, was der neue schweizer Veranstalter, Circus Maximus Entertainment, nun macht, nicht unbedingt ganz neu. Aber es wird da etwas mit einer beeindruckenden Konsequenz weitergeführt, das Zukunft haben kann.
Am 28.04.2013 soll die erste Veranstaltung von Circus Maximus Entertainment stattfinden und zwar in einer der modernsten und am besten ausgestatten „Event-Locations“ in Zürich. Das Aura besteht aus einem, wie man lesen kann, erstklassigen Restaurant, einer Bar und Smoker’s Lounge und einem Eventsaal, der mit einer 360 Grad-Projektionsfläche und einer 3D-Soundanlage ausgestattet ist – sehr edel! Es sollen wohl nur maximal 400 bis 500 Zuschauer überhaupt eingelassen werden.
Aber nicht nur der Veranstaltungsort ist ausgesucht edel. Sieht man sich die Kampfpaarungen an, so kann man auch noch hochwertiges Boxen erwarten. Im Mittelgewicht fordert István Szili (17 Kämpfe, 17 Siege, 7 durch KO) den WBO Intercontinental Titelträger Hamid Rahimi (22 Kämpfe, 21 Siege, 10 durch KO, 1 Niederlage) heraus. Abgesehen davon, dass dies eine gute Kampfansetzung ist, so ist das vom Management von Szili außerdem ein durchaus mutiger Schritt. Der Deutsch-Afghane weckte ein sehr großes Medieninteresse durch seine Aktion „Fight for Peace“. Er absolvierte im letzten Jahr den ersten Profiboxkampf in Afghanistan. Dementsprechend steigt Rahimi mit einem Sympathiebonus in den Ring. Auf der anderen Seite gibt es einige Experten, die meinen, dass István Szili in einem Jahr um eine Weltmeisterschaft boxen kann. Umso mutiger ist eine solche Kampfansetzung.
In dem zweiten Hauptkampf des Abends boxt die Interims Weltmeisterin der WIBF im Junior Fliegengewicht, Özlem Sahin (15 Kämpfe, 14 Siege, 5 durch KO, 1 Unentschieden), um die Weltmeisterschaft der WIBF und der GBU im Strohgewicht. Ihre Gegnerin ist keine geringere als Ria Ramnarine (22 Kämpfe, 15 Siege, 2 durch KO, 6 Niederlagen, 2 durch KO, 1 Unentschieden). Ramnarine war schon mehrfach Weltmeisterin im Minimumgewicht bei den verschiedensten Verbänden. Sie ist eine der ganz Großen im Frauenboxen. István Szili und Özlem Sahin sollen wohl die Zugpferde bei Circus Maximus Entertainment werden – aber leichte Gegner sucht man ihnen darum noch nicht.
Das Vorprogramm umfasst drei Kämpfe, die sich sehen lassen können. Im ersten treffen im Cruisergewicht David Roethlisberger (2 Kämpfe, 2 Siege, 2 durch KO) und Tamas Polster (23 Kämpfe, 16 Siege, 8 durch KO, 6 Niederlagen, 5 durch KO, 1 Unentschieden) aufeinander. Auch diese Kampfansetzung spricht für Mut, indem einem unerfahrenen Mann wie Roethlisberger ein so erfahrener Boxer wie Polster vorgesetzt wird, der immerhin seine letzten sieben Kämpfe alle gewinnen konnte.
Auch für Stéphane Roethlisberger (3 Kämpfe, 3 Siege, 2 durch KO) sieht es im Halbschergewicht nicht einfacher aus. Er trifft auf Steve Kroekel (41 Kämpfe, 17 Siege, 7 durch KO, 21 Niederlagen, 6 durch KO, 2 Unentschieden), der ein wirklich zäher und harter Boxer ist. Im dritten und letzten Vorkampf soll Enes Zecirevic (8 Kämpfe, 8 Siege, 6 durch KO) im Super Mittelgewicht boxen.
Zwei Dinge sind bemerkenswert an den Kampfansetzungen von Nic Proschek, dem Manager und Matchmaker von Circus Maximus Entertainment. Zum einen sind sie mutig und versprechen gute Kämpfe. Zum anderen stehen fast alle Kämpfe schon mehr als fünf Wochen vor der Veranstaltung fest. D.h. hier erfahren auch die Boxer, die in den Vorkämpfen antreten, schon frühzeitig, dass sie boxen werden. Bei den großen Veranstaltern gehört es inzwischen ja fast schon zum guten Ton, die Gegner für die Vorkämpfer erst kurzfristig zu buchen, um ihnen möglichst wenig Vorbereitungszeit zu lassen.
Die Veranstaltung am 28.04.2013 stellt zwar vielleicht nicht gerade eine Neuerfindung des Profiboxens dar, sie könnte aber durchaus neue Standards setzen.
© Uwe Betker

Eine gute Show

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Khalil BoxPromotion hat es wieder getan. Wieder haben sie eine kleine, aber gute Show auf die Beine gestellt. Eventuell war das Timing der Veranstaltung in Dortmund nicht ideal. Der BVB spielte gleichzeitig, Sauerland Event veranstaltete in Hamburg und es war die Nacht der Museen in Dortmund. So war leider die kleine Westfalenhalle nicht ganz gefüllt, was schade war, denn es gab gutes Boxen zu sehen.
Im ersten Kampf des Abends trafen Youssef Hassan, der sein Debüt gab, und Marcel Radau im Mittelgewicht aufeinander. Radau hatte bereits einen Kampf bestritten, den er für sich entscheiden konnte. Hassan begann als der Aktivere den Kampf zu dominieren. In der zweiten Runde ging er vermehrt zur Leber und versuchte dort den KO-Erfolg. Radau hatte hiergegen kein Konzept, sondern versuchte sein Glück in wilden Schlagabtäuschen. Am Ende der Runde musste er dann nach einem Leberhaken runter. Er kroch in seine Ringecke, um sich dort mit Mühe an den Seilen hochzuziehen, während der Ringrichter ihn anzählte und der Pausengong erklang. Die folgende Runde war ein Schlachtfest. Hassan schickte Radau zweimal, jeweils mit einer Linken auf den Körper, zu Boden. Endlich zählte der Ringrichter Radau aus. Das Handtuch, was offensichtlich die obligatorische Sperre verhindern sollte, kam zu spät.
Der zweite Kampf des Abends fand im Leichtgewicht statt. Hier trafen Schirwan Hasan (3 Kämpfe, 3 Siege, 1 durch KO) und Said Harkimov (5 Kämpfe, 1 Sieg, 4 Niederlagen, 3 durch KO) aufeinander. Der Kampf war recht einseitig. Hasan war der bessere Boxer und er war seinem Gegner in allen Belangen überlegen. Er zeigte schnelle Hände und gute Reaktionen. Harkimov versuchte erfolglos mit Schwingern durchzukommen, aber diese waren zum großen Teil so unpräzise geschlagen und waren so lange unterwegs, dass Hasan sie noch nicht einmal abzublocken brauchte. Zur fünften Runde trat Harkimov nicht mehr an.
Im Halbschwergewicht boxte Roman Javoev (4 Kämpfe, 3 Siege, 1 Unentschieden) gegen Siruk Donsdean (5 Kämpfe, 2 Siege, 2 Niederlagen, 1 Unentschieden). Der Kampf war auf sehr hohem technischem Niveau und war ein Rückkampf. Im Mai hatte Javoev einen 4-Runder nach Punkten gewonnen. Hier kamen die Freunde des Fechtens mit der Faust auf ihre Kosten. Viele Aktionen fanden nur im Ansatz statt und wurden dann vom Gegenüber im Ansatz vermieden. Die Punktrichter wertete 57:57, 56:58 und 58:56 und damit den Kampf unentschieden. Ich hatte Roman Javoev knapp nach Punkten vorne.
Christian Pawlak (25 Kämpfe, 19 Siege, 11 durch KO, 5 Niederlagen, 1 Unentschieden) boxte im Super Mittelgewicht gegen Steve Kroekel (38 Kämpfe, 16 Siege, 7 durch KO, 21 Niederlagen 5 durch KO). Pawlak boxte den ihn auszeichnenden Stil. Er boxte konzentriert und systematisch. Er punktete schön mit seiner schnellen Führhand und suchte seinen Gegner zu zermürben. In der letzten und achten Runde musste Kroekel dann in die Knie gehen und sich anzählen lassen. Kaum wieder auf den Beinen sah er sich einem Schlaghagel ausgesetzt, der ihn den Ringpfosten der neutralen Ecke runterrutschen ließ. Dort zählte der Ringrichter ihn aus.
Goda Dailydaite (8 Kämpfe, 8 Siege, 2 durch KO) verteidigte erfolgreich ihren Interims WIBF und ihren WBF Titel im Federgewicht gegen Irma Balijagic Adler (15 Kämpfe, 12 Sieg, 5 durch KO, 3 Niederlagen, 1 durch KO). Die aus Bosnien Herzegowina stammende Adler hatte am 20.11.2010 ihren vorletzten Kampf gegen Ramona Kühne nach Punkten verloren. Hiernach war sie eineinhalb Jahre inaktiv, bevor sie am 16.06.2012 gegen Erica Anabella Farias durch TKO in Runde 1 unterlag. Beide Kämpfe waren WM-Kämpfe.
Was am Anfang nach einem etwas härteren Sparring aussah – die Mehrzahl der Runden der ersten Hälfte des Kampfes ging an sie –, wurde zu einer großen Ringschlacht. In der Mitte des Kampfes, schien es so, als hätte Adler konditionelle Probleme. Dann passierte das Unerwartete. Adler bekam den zweiten Atem und wurde von Runde zu Runde stärker. Dailydaite verlor ihre Linie und kam unter Druck. Adler offenbarte die Schwächen der Titelverteidigerin. Dailydaite bewegte sich schnell auf ihren Füßen, was allerdings manchmal etwas hektisch aussah. Wie schon in ihrem ersten WM-Kampf fand sie sich auf dem Boden wieder, weil sie aus der Balance gekommen oder gestolpert war. Auch schlug sie unter Druck rechte Schwinger, die geradezu eine Einladung für einen Konter waren. Die letzten beiden Runden war sie auf der Flucht und klammerte, wann immer sie konnte. Dennoch war ihr Punktsieg berechtigt, wenn die Wertung mit 98:94, 98:92 und 97:97 auch etwas wohlwollend ausfiel. Wenn die amtierende WIBF Weltmeisterin Ramona Kühne (20 Kämpfe, 19 Siege, 6 durch KO, 1 Niederlage) an einen Kampf mit Dailydaite denkt, dürfte sie nicht gerade schlaflose Nächte haben. Interessant dürfte ein solcher Kampf aber doch werden.
Es folgte dann auch noch eine Weltmeisterschaft – diesmal im Cruisergewicht – zwischen Timur Musafarov (6 Kämpfe, 6 Siege, 5 durch KO) und Marko Angermann (25 Kämpfe, 11 Sieg, 4 durch KO, 13 Niederlagen, 10 durch KO, 1 Unentschieden). Natürlich handelte es sich um keine „wirkliche“ Weltmeisterschaft. Es war „nur“ eine Weltmeisterschaft der GBU, der Global Boxing Union. Da aber am gleichen Abend den Zuschauern im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ein Alexander Wladimirowitsch Powetkin als Schwergewichtsweltmeister präsentiert wurde, kann man hier auch von einer Weltmeisterschaft sprechen. Ich persönlich sehe allerdings beide Weltmeisterschaften eher als Witz an. Musafarov war seinem Gegner physisch und boxerisch überlegen. Immer wieder arbeitete er schön zum Körper und immer wieder konnte er Angermann in einer Ringecke stellen. Angermann nahm viel. Zur vierten Runde trat er dann gar nicht mehr an.
Wer wie ich die Angewohnheit hat, sich auf Veranstaltungen alle Kämpfe anzusehen, bekommt leider zwangsläufig auch Kämpfe zu sehen, die er eigentlich lieber nicht sehen möchte. Die letzten zwei Kämpfe des Abends gehörten in diese Kategorie. Daniel Knopf gab im Schwergewicht sein Profidebüt. Sein Gegner war ein älterer Herr aus Serbien, namens Dragan Bajak (6 Kämpfe, 1 Sieg, 5 Niederlagen, 4 durch KO). In der zweiten Runde musste der zu bemitleidende Bajak zu Boden. Als der Ringrichter bei acht angelangt war, gab er auf.
Im letzten Kampf des Abend wurde noch ein weiterer älterer Herr aus Serbien vermöbelt, Dusan Pasic (32 Kämpfe, 5 Siege, 3 durch KO, 27 Niederlagen, 18 durch KO). Er bekam es im Cruisergewicht mit Aziz Simsek (5 Kämpfe, 5 Siege, 4 durch KO) zu tun. Bereits in der ersten Runde ging Pasic nach einem nicht hart aussehenden Körpertreffer zu Boden. Im folgenden Durchgang fällte ihn dann schließlich eine Links-Rechts-Kombination zum Kopf. Er fiel rücklings zu Boden. Die Runde dauerte nur 37 Sekunden.
Trotz der letzten beiden Kämpfe war die Veranstaltung von Khalil BoxPromotion durchaus gelungen. Vermutlich war sie sogar die beste des vergangenen Wochenendes, obwohl auch Sauerland Event und EC Boxing veranstalteten.
© Uwe Betker