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Posts Tagged ‘British Boxing Board of Control

Eine Frage der Verantwortung

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Die Ausgangslage ist bekannt: Frank Warren, der englische Veranstalter, kam auf die Idee, die Schwergewichtler David Haye (27 Kämpfe, 25 Siege, 23 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO) und Dereck Chisora (18 Kämpfe, 15 Siege, 9 durch KO, 3 Niederlagen) gegeneinander boxen zu lassen. Der Londoner Upton Park, der 35.000 Zuschauer fasst, die auch erwartet werden, wurde gebucht. Ein Problem war allerdings die Box-Lizenz, denn beide Boxer hatten keine mehr.
Haye hatte seine abgegeben, weil er nach seiner Punktniederlage gegen Wladimir Klitschko, am 02.07.2011, seine Karriere für beendet erklärt hatte. Chisora war die Lizenz vom britischen Boxverband BBBC, British Boxing Board of Control, entzogen worden, nachdem er sich u.a. während der Pressekonferenz nach seiner Punktniederlage gegen Vitali Klitschko, am 18.02.2012 mit Haye geprügelt hatte.
Wie leider im Profiboxen üblich, sind Lizenzentzüge oder Sperren kein Hindernis, wenn ein Veranstalter sie denn umgehen will. So bekam auch Chisora ohne Probleme eine Lizenz vom luxemburgischen Verband F.L.B. (Fédération Luxembourgeoise de Boxe). Hier nun fängt die Geschichte an interessant zu werden. Die öffentliche Empörung war groß. Die ARD nötige Sauerland Event, die gerne mit veranstaltet hätten, zum Ausstieg.
Der luxemburger Sportminister Romalin Schneider reagierte sofort. Er kritisierte den Verband massiv. Er wies in einem Brief darauf hin, dass Verbände, um vom Ministerium anerkannt zu werden, „positive Botschaften wie Fair-Play oder gegenseitigen Respekt vermitteln sollen.“ Man kann dem Minister hier nur Recht geben, die Lizenzierung eines Boxers, dem die Lizenz wegen einer öffentlichen Schlägerei entzogen wurde, ist definitiv kein Eintreten für Fair-Play und gegenseitigen Respekt. Weiter führte Schneider aus: „Die FLB vermittlt durch diese Entscheidung ein äußerst negatives Image des Boxsports.“ Dies würde „ein schlechtes Licht auf den Luxemburger Sport und das Großherzogtum im Allgemeinen werfen.“ Sehr konsequent entzog der Minister daher auch dem Verband die staatlichen Fördergelder für das Jahr 2012.
Die Erwiderung des Generalsekretärs des FLB Toni Tiberi ist nun, in meinen Augen, sehr aufschlussreich: „Wir haben im Gegensatz zu anderen Vereinen nie viel bekommen. Ich will auch betonen, dass die rund 2.700 Euro an Fördergeldern, die wir im Schnitt jährlich bekommen, nie vom Verband in Beschlag genommen wurden. Alle Verantwortlichen arbeiten ehrenamtlich. Die Gelder sind zum Großteil in die Vereine geflossen. Zudem wurden Schiedsrichter mit den Geldern bezahlt. Durch die Streichung der Fördergelder werden nun in erster Linie die Vereine bestraft.“
Was Generalsekretär Tiberi hier als Gegenargument anführt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als weiterer Vorwurf gegen ihn selber. Der luxemburger Verband vertritt nicht nur die Profis, sondern auch die Amateurboxer. Dementsprechend haben die Offiziellen des Verbandes auch eine Verpflichtung beiden Gruppen gegenüber. Bei der Lizensierung von Chisora haben sie sich nicht anders verhalten wie viele Profiverbände in der Welt auch. Aber genau dieses Verhalten, was nur darauf abzielt, den Veranstaltern zu Willen zu sein, um Gebühren zu kassieren, hat auch den Ruf der Profiverbände so ruiniert. An einen Amateurverband, bei dem es ja nicht darum geht, durch Boxen Geld zu verdienen, sind, zumal wenn er staatliche Zuschüsse bekommt, schlicht andere und viel höhere moralische Maßstäbe anzulegen.
Dementsprechend geht auch folgende Argumentation der FLB vollkommen ins Leere: „Als sich Joe Frazier und George Foreman eine Schlägerei geliefert haben, hat auch keiner etwas gesagt. Und auch nicht, als Mike Tyson Evander Holyfield ein Stück seines Ohres abgebissen hat. Nun hat Dereck Chisora Vitali Klitschko eine Ohrfeige verpasst und wird dann von allen Seiten verurteilt.“
So kann meinetwegen der Präsident eines Profiverbandes argumentieren, aber nicht der eines Amateurverbandes. Mir kommt der Verdacht, dass Toni Tiberi sich hier schlicht seiner Verantwortung gegenüber den Amateuren und dem luxemburger Steuerzahlern nicht bewusst ist.
© Uwe Betker

Keine Lizenz? – Kein Problem für Sauerland Event! – Aber eines für die ARD

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Erst vor kurzem ließ Sauerland Event den Super Mittelgewichtler Baker Barakat (52 Kämpfe, 36 Siege, 24 durch KO, 12 Niederlagen, 5 durch KO, 4 Unentschieden) gegen Marcos Nader (15 Kämpfe, 15 Siege, 2 durch KO) im Vorprogramm zu der sogenannten Schwergewichtsweltmeisterschaft zwischen Alexander Povetkin und Marco Huck boxen. Problematisch an diesem Auftritt war, dass Barakat von der GBA (German Boxing Association) gesperrt war. Das hielt aber den größten deutschen Veranstalter nicht davon ab, ihn boxen zu lassen. Der in Syrien geborene Barakat hatte sich wohl flux eine andere Lizenz besorgt. Und was interessiert den berliner Veranstalter, dass ein Boxer, den er haben will, gesperrt ist?
Alles hat geklappt, wie Sauerland Event es wollte. Der Sauerland Boxer Nader gewann den 10 Runder nach Punkten. Die ARD schaute – wie immer – nicht so genau hin. Kaum jemanden interessierte es, dass damit der Glaubwürdigkeit des Boxens vorsätzlich ein Tritt in den Unterleib verpasst worden war.
Da alles so gut geklappt hatte, setzte Sauerland Event nun noch einen drauf. Man wollte den zweiten Kampf zwischen David Haye (27 Kämpfe, 25 Siege, 23 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO) und Dereck Chisora (18 Kämpfe, 15 Siege, 9 durch KO, 3 Niederlagen). Wir erinnern uns: Der erste Kampf der beiden fand statt während der Pressekonferenz nach dem Kampf von Vitali Klitschko gegen Chisora. Diese Auseinandersetzung begeisterte so sehr, dass Klitschko und sein Manager Bernd Bönte ihm, wie es aussah, Applaus spendeten. Die Veranstalter Sauerland Event und Frank Warren waren davon aber wohl auch so angetan, dass sie am 14. Juli die beiden sogar im Ring aufeinander treffen lassen wollten.
Dass der britische Verband (British Boxing Board of Control) Chisora nach seiner ersten Prügelei die Lizenz entzogen hatte, sollte dabei kein Hinderungsgrund sein. Da es gilt das londoner Stadion Upton Park zu füllen, war der luxemburger Boxverbandes F.L.B. (Fédération Luxembourgeoise de Boxe) den Veranstaltern zu Diensten und lizensierte Chisora.
Kalle Sauerland prognostizierte ganz unbescheiden: „Ich erwarte einen der meist diskutierten und spektakulärsten Kämpfe aller Zeiten“. Und er scheint Recht zu behalten. Es sind bereits 17.000 der 35.000 bis 40.000 Karten verkauft worden. Und der Kampf selbst verspricht auch gut zu werden. Allerdings geht es hier offensichtlich erst mal ums Geschäft, und da bleibt die Moral schon einmal auf der Strecke. Tatsache ist und bleibt nämlich, dass der britische Verband sich genötigt sah, Chisora wegen seines skandalösen Verhaltens vor und nach seinem letzten Kampf die Lizenz zu entziehen. Sauerland Event und Frank Warren, der Manager von Chisora, hebelten aber die Sanktionen des Verbandes aus.
Wenn es um Geschäfte geht, geht die Argumentation manchmal seltsame Wege. Der Geschäftsführer des Sauerland-Stalls, Christian Meyer, erklärte: „Moralisch ist das nicht verwerflich. Chisora ist nicht gesperrt worden, man hat ihm nur die Lizenz entzogen. Jetzt hat er eine andere. Wir haben schließlich Berufsfreiheit.” Das sagt nun einer der Männer, die erst unlängst einen gesperrten Boxer Barakat eingesetzt hatten. Mit seiner sehr freizügigen Auslegung von Berufsfreiheit hebelt Meyer jegliche Möglichkeit von Sanktionierungen für Boxer durch die Verbände aus. Was hier von ihm Freiheit genannt wird, nenne ich Verachtung, Verachtung gegenüber seriösen Verbänden und moralischen Standards.
Aber hier nun geschah etwas Wunderbares. Die ADR nun, die normalerweise bei mir den Eindruck erweckt, immer alles zu übertragen, was Sauerland Event anbietet, zog die Notbremse. Sie reagierte auf die immer lauter werdende Kritik an diesem Kampf und ließ verlauten: „Eine Übertragung der Boxveranstaltung am 14. Juli 2012 in London passt nicht zum Image und zum Selbstverständnis der ARD.“
Danke!
Endlich!
Endlich nimmt die ARD ihre Rolle als übertragender TV-Sender ernst und übernimmt Verantwortung für das Boxen.
Danke!
© Uwe Betker