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Rezension: „Friday Night World“ von Roger Zotti

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Das Buch „Friday Night World“ von Roger Zotti trägt den Untertitel „A Tribute to Fighters of the 1950s“. Es ist ein seltsames, nur 130 Seiten langes, kurzweiliges Buch. Es handelt von Helden aus der Kindheit des Autors, also von US-Boxern der 50er Jahre. Es handelt aber auch vom Aufwachsen in New Haven und der Auseinandersetzung und Identifikation mit Boxern. Und es handelt von den „Friday Night Fights“, TV-Übertragungen von Boxkämpfen. Diese „Freitagabendkämpfe“ waren Vorbild für alle TV-Übertragungen, die später kamen. Letztlich bilden sie immer noch den Maßstab, der heute nur sehr selten erreicht wird. – Vielen Boxfans sind noch heute Herausforderer aus den 50er Jahren geläufig. Viele der heutigen Weltmeister kennen die gleichen Fans aber nicht. Das hat nun keineswegs mit verklärender Nostalgie etwas zu tun, sondern einfach mit der Qualität der Kämpfe von damals.
Das Buch gliedert sich in drei Teile. Im ersten stellt Zotti seine Lieblinsboxer vor: Jake LaMotta, Gaspar „Indio“ Ortega, Carmen Basilio, Tony DeMarco, Joe Giradello, Wes Bascom, Sugar Ray Robinson, Irish Bob Murphy, Rex Layne, Bob Baker, Clarence Henty, Bob Satterfield, Rocky Castellani, Rocky Marciano, Kid Gavilan, Gil Turner, Chico Veja, Johnny Bratton, Gene Fullmer, Joey Maxim und Walter Cartier. Es werden Kämpfe beschrieben, Anekdoten erzählt, Biographien angerissen und es werden deren Einschätzungen durch Zottis Verwandte und Freunde wiedergegeben.
Im zweiten Teil geht Zotti auf zehn Autoren und ihre Bücher ein. Hierbei konzentriert er sich wieder auf die Boxer aus den 50er Jahren, deren Kämpfe und Geschichten.
Der dritte und letzte Teil ist sehr viel kürzer als die vorangehenden und könnte kurz zusammengefasst werden unter dem Begriff: Vermischtes.
„Friday Night World“ von Roger Zotti ist aufgrund seiner Struktur ein etwas seltsames Buch. Aber Roger Zotti kann schreiben, und er ist ein Boxexperte. Er schreibt regelmäßig für das „International Boxing Research Organization Journal“. Vor allem aber ist das Buch kurzweilig – und es macht Spaß.
(C) Uwe Betker

Rezension: „Old Holborn Book of Boxing“, herausgegeben von Peter Wilson

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Das Internet verleitet mich manchmal zu blinden Bücherkäufen. Bei meinen Ausflügen im Internet stieß ich so auf eine Anzeige, in der nur ein schlechter Scan vom Cover zu sehen war. Kein Autor wurde genannt, keine Inhaltsangabe gegeben – nichts. Aber das Kaufrisiko war gering. Inklusive Versand sollte das Buch weniger als eine Packung Zigarettentabak kosten – und dabei rauche ich seit einer kleinen Ewigkeit schon nicht mehr.
Das Exemplar des „Old Holborn Book of Boxing“, das ich bekam, war ein vergilbtes Taschenbuch, 160 Seiten stark und auf relativ schlechtem Papier gedruckt. In der Mitte finden sich auf 16 Seiten aus glattem und dickem Papier sogar Fotos; sie füllen jeweils eine Seite, einige sind sogar in Farbe. Es ist zu vermuten, dass dieses Buch nicht über den Buchhandel vertrieben wurde. Man findet auch keinen aufgedruckten Preis. Offenbar war es Teil einer Werbekampagne für die englische Zigarettentabakmarke „Old Holborn“. Dem Inhalt ist zu entnehmen, dass es 1969 erschien ist. Der Herausgeber ist Peter Wilson, der auch viele der Texte selber geschrieben hat. Nun muss man wissen, dass Wilson von Mitte der 30er Jahre bis in die 70er Jahre hinein im Daily Mirror über Boxen schrieb. Und wie er schrieb!
Das Buch beginnt mit einer kurzen Einleitung, die einen kurzen Abriss der Geschichte des Boxens präsentiert. Es folgt ein Abschnitt mit dem Titel „Twelve fights I shall never forget“. Hier beschreibt Wilson und/oder erzählt zwölf Kämpfe nach, bei denen er selbst am Ring saß und die für ihn aus ganz verschiedenen, zum Teil sehr subjektiven Gründen, unvergesslich waren:
Rocky Marciano vs. Jersey Joe Walcott (23.09.1952)
Joe Louis vs. Max Schmeling II (22.06.1938)
Sonny Liston vs. Floyd Patterson I (25.08.1962)
Cassius Clay vs. Cleveland Williams (14.11.1966)
Archie Moore vs. Yvon Durelle II (12.08.1959)
Sugar Ray Robinson vs. Joey Maxim (25.06.1952)
Sugar Ray Robinson vs. Carmen Basilio (23.09.1957)
Henry Armstrong vs. Ernie Roderick (25.05.1939)
Ike Williams vs. Ronnie James (04.09.1945)
Sand Saddler vs. Ray Famechon (25.10.1954)
Eder Jofre vs. Johnny Caldwell (18.01.1962)
Benny Lynch vs. Peter Kane (13.10.1937)
Wie Wilson schreibt, ist schon wirklich beeindruckend. Er ist ein großer Könner der Boxjournalistik. Diese zwölf Beschreibungen der Kämpfe sind mit das Beste, was ich an Kampfberichten je gelesen habe. – Einfach nur großartig. Wenn man sich an Begriffen, die heute nicht mehr politisch korrekt sind, nicht stößt, entdeckt man einen Großmeister des Sportjournalismus. Seine Sprache ist schön, klar, präzise und manchmal sogar poetisch.
Es folgt eine Portraitgalerie der Britischen Meister, unter ihnen Henry Cooper, der auch das Cover ziert, Ken Buchanan und Alan Rudkin. – Gibt es heute einen Verband in Deutschland, der in allen Gewichtsklassen Meister hat?
Es gibt einen großen Artikel über Jimmy Wilde, der im Erscheinungsjahr gestorben ist. Wilde, the Mighty Atom, war einer der besten Fliegengewichtler aller Zeiten. Das Büchlein enthält noch ein Box-Quiz, einen Artikel übers Amateurboxen, gefolgt von Kurzportraits aller amtierenden britischen Amateurmeister. Hinzu kommen Artikel über Veranstalter, über die Geldanlagen erfolgreicher Boxer, Frauen im Boxen, Henry Cooper, Cutmen, Ringrichter und ein Foto-Quiz.
Den Abschluss bildet eine Liste der Weltmeister von 1872 bis 1969. Wobei die amtierenden Weltmeister (Muhammad Ali, Joe Frazier, Jimmy Ellis, Bob Foster, Nino Benvenutti, Curtis Cokes, Amando Ramos, Johnny Famechon, Lionel Rose, Efren Torres) noch jeweils in einem Kurzportrait vorgestellt werden. Zum Schluss erfahren wir dann noch die Auflösung des Bilderquiz.
„Old Holborn Book of Boxing“, herausgegeben von Peter Wilson = 160 Seiten voll Spaß und Unterhaltung. Wo bekommt man für weniger als eine Packung Zigarettentabak noch so viel geboten? Nur im Internet.
© Uwe Betker

Rezension: The Onion Picker von Gary B. Youmans

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Der Autor Gary B. Youmans lebt und arbeitet in Syracuse, im Bundesstaat New York. Er schrieb einige Bücher über Football. Er ist auch noch Drehbuchautor. Er kann schreiben und daher ist sein Buch The Onion Picker, Carmen Basilio and Boxing in the 1950s (Carmen Basilio & Sugar Ray Robinson slug it out for the Middleweigt Championship of the World!) eine informative, kurzweilige und amüsante Lektüre für einen oder eineinhalb entspannte Tage.
Formal handelt The Onion Picker von Carmen Basilio (79 Kämpfe, 56 Siege, 26 durch KO, 16 Niederlagen, 2 durch KO, 7 Unentschieden). Er war Weltmeister im Weltergewicht von 1955 bis 1956 und von 1956 bis 1957; außerdem war er Weltmeister im Mittelgewicht 1957 bis 1958. Er war sicher kein Filigrantechniker. Er war vielmehr ein aggressiv nach vorne gehender Boxer, der seine Gegner mit harten Körper- und Kopfhaken fällen wollte. Er war ein Liebling der Massen und er war der Gegenentwurf zu Sugar Ray Robinson (202 Kämpfe, 175 Siege, 109 durch KO, 19 Niederlagen, 1 durch KO, 6 Unentschieden) dem Pound for Pound besten Boxer aller Zeiten. Genau diesen Robinson schlug Basilio am 23.09.1957 nach Punkten, in einem der besten Kämpfe aller Zeiten, und nahm ihm den Mittelgewichtstitel ab.
Youmans konzentriert sich in seinem Buch auf die Rivalität zwischen den beiden. Das heißt aber auch, dass das Buch nur bedingt als eine Biographie von Basilio verstanden werden kann. Die Konstruktion ist etwas seltsam. Zum einen folgt der Leser in groben Zügen der Biographie von Basilio, wobei die Zeit bis zur Weltmeisterschaft im Weltergewicht und nach seiner Niederlage im Rückkampf gegen Robinson nur ganz skizzenhaft oder gar nicht abgehandelt wird. Das Material, das er hier verarbeitet hat, besteht aus bekannten und unbekannten Zitaten und stammt auch aus selbst geführten Interviews.
Der Autor beleuchtet das Profiboxen der fünfziger Jahren in den USA. Er behandelt m.a.W. die Unterwanderung des Boxens durch die Mafia, die Rolle, die Joe Luis darin spielte und wie er versuchte, die Mafia wieder los zu werden. Aber es geht auch um die großen Boxer der Zeit: Jake LaMotta, Bobo Olsen, Johnny Saxton, Joey Maxim, Kid Gavilan, Tony DeMarco u.a.
Für jemanden, der schon eine große Bibliothek von Boxbüchern besitzt, bietet dieses Buch nur wenig Neues. Auch hätte ich mir mehr über Carmen Basilio gewünscht. Aber, wie gesagt, das Buch ist gut geschrieben und lässt sich schnell runter lesen und, was eventuell das Wichtigste ist, es ist unterhaltsam. Es ist also ganz die richtige Lektüre für ein entspanntes Wochenende oder einen entschleunigten Urlaubstag. – The Onion Picker von Gary B. Youmans kann man im Internet gebraucht und auch neu bestellen.
© Uwe Betker

Rezension: „Tag Fremder“ von Robert Lowry

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Es gibt verhältnismäßig wenige Romane über das Boxen und noch weniger sind lesenswert. Um es vorab zu sagen, der Roman „Tag, Fremder“ ist großartig. Das Buch ist eine Mischung aus einer Geschichte über einen Boxer und einem Liebesroman.
Der Autor Robert Lowry (29.03.1919 – 05.12.1994) war ein Schriftsteller der US-amerikanischen Nachkriegsliteratur und Vorläufer der Beat Generation. Nur wenige seiner Werke sind auf Deutsch erschienen. Aber auch in den USA erfährt sein Werk nicht die ihm gebührende Würdigung. Bereits als Kind fing Lowry an zu schreiben und die lokale Presse von Cincinnati veröffentlichte seine Geschichten. Als Student gründete er 1938 das viel gerühmte Literaturmagazin Little Man.
1942 wurde Lowry zur Armee eingezogen und musste das Magazin einstellen. Nach dem Krieg zog Lowry nach New York, arbeitete als Buchdesigner, veröffentlichte seinen ersten Roman und wurde ein gefürchteter Kritiker – u.a. für das Time Magazine. 1952 wurde er von seiner damaligen Frau, der zweiten von vier, in die Psychiatrie eingewiesen und mit Elektroschocks behandelt. Von nun an war er immer wieder Patient in der Psychiatrie und er verelendete immer mehr. Er starb zuletzt völlig verarmt an einer Lungenentzündung. Er hinterließ ein Werk, das es noch zu entdecken gilt.
1953 erschien der Roman „The Violent Wedding“, der, aus mir unerfindlichen Gründen, den etwas abgeschmackten deutschen Titel „Tag, Fremder“ trägt. In dem Roman geht es um die Amour fou zwischen Paris „Baby“ James und Laine Brendan. James ist ein schwarzer Boxer aus Harlem, der Weltmeister im Mittelgewicht werden will. Brendan ist eine weiße Malerin aus dem Village, die in einer Schaffenskrise steckt. Die Liebe zwischen den beiden ist – es ist Anfang der 50er Jahren in den Vereinigten Staaten – zum Scheitern verurteilt. Ihre Liebe gestaltet sich aber auch wie ein Kampf, der schließlich in der Vernichtung bzw. im Tod von Brendan endet. Das Drama der beiden wird sowohl aus Sicht der beiden Protagonisten als auch aus der des scheinfreundlichen Sportreporters Dick Willis geschildert. Die gelungenen Perspektivenwechsel lassen Gedanken und Gefühle der Personen klar hervor treten.
Die Sprache von Robert Lowry ist klar, präzise und von großer Schönheit. Die Übersetzung von Carl Weissner trägt zudem dazu bei, das Lesevergnügen zu vergrößern. Vorlage für den WM Kampf, der eine zentrale Rolle im Roman spielt, dürfte der Kampf zwischen Sugar Ray Robinson (200 Kämpfe, 173 Siege, 108 durch KO, 19 Niederlagen, 1 durch KO, 6 Unentschieden) und Jake LaMotta (106 Kämpfe, 83 Siege, 30 durch KO, 19 Niederlagen, 4 durch KO, 4 Unentschieden) vom 14.02.1951 sein. Paris „Baby“ James hat Züge von Robinson, ohne ihm aber allzu ähnlich zu werden. Er ist durchaus eine eigenständige fiktive Person.
„Tag, Fremder“ ist ein exzellenter und wahrhaftiger Roman über das Boxen und über eine Liebe.
(C) Uwe Betker

Felix Sturm auf dem Weg zur Legende?

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Charley Burley, Marcel Cerdan, Ezzard Charles, Nonparieil Jack Dempsey, Bob Fitzsimmons, Gene Fullmer, Tiger Flowers, Mike Gibbons, Marvin Hagler, Bernard Hopkins, Roy Jones Jr., Harry Greb, Stanley Ketchel, Sam Langford, Jack LaMotta, Kid McCoy, Carlos Monzon, Sugar Ray Robinson, Marcel Thil, Dick Tiger, Mickey Walker, Holman Williams, Tony Zale – um nur die zu nennen, die mir spontan einfallen – sind etwas, was Felix Sturm gerne sein möchte, nämlich Legenden. Die oben genannten Herren, sind wie Sturm Mittelgewichtler, aber Sturm gehört in diese Reihe nicht.
Die Zuschauer in der Halle und an den Bildschirmen staunten nicht schlecht, als die Reporter von SAT 1, vor dem Felix Sturm gegen Matthew Macklin Kampf ganz selbstverständlich darüber parlierten – und zwar ohne sichtbar rot zu werden -, dass Sturm auf dem Weg sei, eine Legende zu werden. Wer auch immer sich das von SAT1 oder von Sturm Box-Promotion hat einfallen lassen, der will entweder sein Publikum für dumm verkaufen, oder er hat keinen blassen Schimmer vom Boxen.
Sturm (39 Kämpfe, 36 Siege, 15 durch KO, 2 Niederlagen, 1 durch KO, 1 Unentschieden) wiederholte immer und immer wieder seinen Anspruch, die Besten boxen zu wollen. Als er noch bei Universum Box-Promotion unter Vertrag war, konnte er noch bequem die Schuld dafür, dass er nicht gegen die besten, sondern eher gegen zweit- und drittklassige Boxer antrat, auf seine Veranstalter schieben. Nun aber, wo er seit geraumer Zeit sein eigener Herr ist und auch noch einen TV-Vertrag hat, könnte er doch die Besten boxen. Das aber hat er bis jetzt nicht getan. Ein Giovanni Lorenzo, Ronald Hearns und Matthew Macklin, die Gegner die Sturm sich selber ausgesucht hat, sind keinen Deut besser als die, die er unter Klaus-Peter Kohl boxte. Bis jetzt hat also Sturm seinen Ankündigungen keine Taten folgen lassen. Auf diesem Hintergrund erscheint der „Weg zur Legende“ eher wie eine maßlose Selbstüberschätzung und komplette Negierung der Realität.
Wenn Sturm sich mit den oben genannten Boxlegenden vergleicht, kann er das ruhig tun. Er gehört zu denjenigen, die wohl am häufigsten ihren Titel verteidigt haben. Auch was die Länge seiner „Amtszeit“ als Weltmeister angeht, dürfte er in der Spitzengruppe zu finden sein. Vermutlich hat er sogar schon jetzt sehr viel mehr verdient als die meisten der Genannten. Was ihn aber von ihnen unterscheidet, ist, dass die anderen tatsächlich die Besten ihrer Zeit geboxt haben, während bei Sturm der Eindruck entsteht, dass er das eigentlich doch nicht wirklich will. Einem Matthew Macklin (31 Kämpfe, 28 Sieg, 19 durch KO, 3 Niederlagen, 1 durch KO) einen Rückkampf geben zu wollen, ist toll. Damit zeigt Sturm mehr Rückgrat als viele andere Boxer, die man so im deutschen Fernsehen zu sehen bekommt. Aber Macklin gehört nun mal eben nicht zu den besten Mittelgewichtlern der Welt, auch wenn SAT1 und Felix Sturm das den Zuschauern weismachen wollen.
Um es deutlich zu sagen: Meiner Meinung nach würde Sturm noch nicht einmal die Kölner Stadtmeisterschaft der legendären Mittelgewichtler gewinnen. Denn „De Aap“ Peter Müller (175 Kämpfe, 132 Siege, 68 durch KO, 26 Niederlagen, 17 durch KO, 14 Unentschieden), der nie mehr als Deutscher Meister war, ist eine wirkliche Legende. Felix Sturm, der sich seit kurzem Leonidas nennt, ist es nicht. Noch nicht?
© Uwe Betker