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Gastbeitrag: Boxen in der Literatur – Jack London (4) „The Mexican“

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Keiner aus der Junta mag den etwa 18 Jahre alten Felipe Rivera der zu Beginn dieser Kurzgeschichte [Jack London. Best Short Stories of Jack London. Garden City, N.Y.: Doubleday, 1945. 226-248] seine Dienste dieser Gruppe mexikanischer Revolutionäre anbietet. Sein Auftreten dort wird folgendermaßen beschrieben:
“There was no smile on his lips, no geniality in his eyes. Big, dashing Paulino Vera felt an inward shudder. Here was something forbidding, terrible, inscrutable. There was something venomous and snakelike in the boy´s black eyes. They burned like cold fire, as with a vast, concentrated bitterness.” [ London. Best Stories. 227]
Anfangs wird er für einen Spion des Präsidenten Diaz gehalten und beauftragt, den Fußboden zu schrubben und die Spucknäpfe zu leeren. Er fragt nur: „Is it for the revolution?“ und auf die Antwort: „It is for the revolution“ sagt er nur „It is well“ und macht sich an die Arbeit. [Anfangs wird er für einen Spion des Präsidenten Diaz gehalten und beauftragt, den Fußboden zu schrubben und die Spucknäpfe zu leeren. Er fragt nur: „Is it for the revolution?“ und auf die Antwort: „It is for the revolution“ sagt er nur „It is well“ und macht sich an die Arbeit. [London. Best Stories. 227]
Nach einer Weile bittet Rivera darum, im Büro der Junta übernachten zu dürfen. Diese Bitte wird ihm jedoch aus Mißtrauen verweigert und er fragt nie wieder danach. Die Revolutionäre sind von Geldmangel geplagt und müssen ihre letzten Habseligkeiten verkaufen. Immer wieder schafft Rivera Bargeld heran, ohne die Quelle bekanntzugeben. Langsam schwindet der Argwohn der Revolutionäre, doch sie mögen ihn dennoch nicht, denn er stahlt Eiseskälte aus und macht ihnen Angst, so daß sie es nicht wagen, ihm Fragen zu stellen.
Der erste richtige Auftrag, den River erhält ist die Wiederherstellung der Nachrichtenverbindung zwischen Los Angeles und dem Rest Kaliforniens. Diese hatte Juan Alvarado, der brutale Befehlshaber des Präsidenten, unterbrochen, indem er drei Revolutionäre erschießen und zwei weitere festnehmen ließ. Rivera stellt die Verbindung wieder her und als man wenig später von der Ermordung Alvarados erfährt ist klar, daß er seinen Auftrag mehr als erfüllt hat.
Immer häufiger bringt Rivera Geld ins Büro der Junta und immer häufiger trägt sein Gesicht Kampfspuren. Es wagt jedoch niemand nach der Herkunft des Geldes zu fragen. Die Vorbereitungen für die Revolution sind in der entscheidenden Phase, als das Scheitern droht, da der wichtigste Geldgeber von Diaz´ Männern erschossen wurde und dringen Gewehre benötigt werden. In dieser Situation fragt Rivera, ob 5000 Dollar reichen würden und als dies bejaht wird sagt er nur: „Order the guns.“ [London. Best Stories. 232]
Das dritte Kapitel dieser Kurzgeschichte spielt im Büro des Boxmanagers Kelly. Er ist auf der verzweifelten Suche nach einem neuen Gegner für seinen aufstrebenden Leichtgewichtsboxer Danny Ward weil der eigentlich vorgesehene Billy Carthey sich den Arm gebrochen hat. In dieser Situation bietet sich Rivera als Gegner an. Weil Roberts, der erfahrene Trainer des jungen Mexikaners den Manager überzeugen kann, daß sein Schützling in der Lage ist den Zuschauern einen Kampf zu bieten willigt Kelly schließlich ein. Anschließend berichtet Roberts davon wie er den jungen Rivera kennenlernte. Dieser lungerte einige Jahre zuvor völlig ausgehungert in der Nähe von Roberts´ Trainingscamp herum und da dieser verzweifelt nach einem Sparringspartner für den brutalen Boxer Prayne suchte zog er dem Jungen einfach ein Paar Handschuhe über und ließ ihn von dem Prayne prügeln, bis er bewußtlos wurde. Anschließend erhielt er einen halben Dollar und eine Mahlzeit. Wider Erwarten tauchte Rivera am folgenden Tag wieder auf und schließlich lernte er sich zu behaupten und wurde ein regelmäßiger Sparringspartner. Erst während der letzten Monate zeigte er, für Roberts überraschend, Interesse, selbst zu boxen.
Als die Börse für den kommenden Kampf ausgehandelt wird besteht Rivera zur Überraschung aller darauf, daß der Sieger alles bekommen soll. [Im Profiboxen wird üblicherweise die Börse vor dem Kampf festgelegt. Sieg oder Niederlage kann jedoch die Börse im nächsten Kampf um den Faktor zehn verändern.]
Dafür muß er Kelly allerdings zugestehen, daß das Einwiegen bereits um zehn Uhr morgens stattfindet. [Durch das früh angesetzte Wiegen kann der schwerere Boxer, in diesem Fall Kelly, das Gewicht, das er abtrainierten mußte, um im Limit zu bleiben vor dem Kampf ersetzen. Dies stellt einen immensen Vorteil dar]
Als der Kampf stattfindet sind von Beginn an alle Anwesenden, einschließlich des Ringrichters auf Kellys Seite. Selbst Riveras Sekundanten haben ihre Anweisungen von Kelly bekommen: „No layin´ down at the start. Them´s instructions. Take a beatin´ an´ earn your dough.“ [London. Best Stories. 239]
Nun wird auch Riveras Einstellung zum Boxen klar.
“He despised prize fighting. It was the hated game of the hated gringo. He had taken up with it, as a chopping block for others in the training quarters, solely because he was starving. The fact that he was marvelously made for it had meant nothing. He hated it. Not until he had come in to the Junta had he fought for money, and he had found the money easy.” [London. Best Stories. 238]
Riveras Motivation, für die Revolution zu kämpfen, im wahrsten Sinne des Wortes wird durch einen Rückblick verdeutlicht. Er wuchs in ärmsten Verhältnissen auf. Sein Vater organisierte einen Streik und wurde zusammen mit seiner Mutter und dutzenden anderer von Diaz´ Männern erschossen.
Nach einem furiosen Ansturm von Kelly gelingt Rivera bereits in der ersten Runde ein Niederschlag. Der Schiedsrichter verhindert jedoch unfairerweise einen schnellen Sieg. In der vierten und siebten Runde erzielt Kelly einen Niederschläge, doch nun beeilt sich der Schiedsrichter mit dem Zählen. In der neunten Runde geht erneut der Favorit zu Boden und in der folgenden sogar dreimal und noch einmal vier Runden später erneut. Zwischen den Runden helfen Riveras Sekundanten ihm kaum und geben ihm falsche Ratschläge.
Schließlich versucht der Manager Kellys ihn mit verlockenden Angeboten dazu zu bewegen, den Kampf absichtlich zu verlieren. Als nächstes soll Rivera wegen Fouls disqualifiziert werden, doch geschickt gelingt ihm dies zu vermeiden. In der 14. Runde wird Riveras Überlegenheit so klar, als er seinen Gegner wieder und wieder zu Boden schlägt, daß der Polizeikommandant den Ring betritt. Rivera gelingt es noch Kelly endgültig auszuknocken bevor der Polizist einschreitet. Dem Ringrichter bleibt schließlich nichts anderes übrig, als den Mexikaner zum Sieger zu erklären. Niemand gratuliert ihm, doch er hat sein Ziel erreicht. Die Revolution kann weitergehen.
Der Boxkampf der in dieser Kurzgeschichte sehr detailliert und realistisch gezeigt wird dient als Metapher für den Kampf des Mexikaner gegen die verhaßten Weißen und den Unterdrücker Diaz. Im Kampf muß der 18jährige Felipe Rivera gegen fast alle denkbaren Widrigkeiten ankämpfen. Er ist schlecht ernährt, nicht optimal trainiert, muß gegen den viel erfahreneren Weltmeisterschaftsaspiranten Kelly antreten und alle Zuschauer, ja selbst seine eigenen Betreuer sind gegen ihn. Er muß neben dem eigentlichen Kampf auch noch darauf acht geben, was außerhalb des Ringes geschieht. Nur so kann er die Pläne vereiteln, die die anderen schmieden, damit er unter allen Umständen verliert.
Der Leser soll damit auf die Seite des jungen Boxers gezogen werden, den niemand mag. Außerdem erfährt nur der Leser die grausame Details aus der Kindheit des Mexikaners, die den anderen Figuren der Geschichte vorenthalten bleiben.
London schrieb diese Geschichte offensichtlich, um die Revolution in Mexiko zu unterstützen. Einige Jahre später war er nach einer Reise dorthin jedoch völlig desillusioniert wie folgende Sätze belegen:
„He […] came to believe that it was American ingenuity that had developed Mexico industrially. About the revolutionaries, Jack said, „These `breeds´ do politics, issue pronunciamentos, raise revolutions or are revolutionized against by others of them, write bombastic unveracity that is accepted as journalism in this sad, rich land, steal payrolls of companies and eat out hazienda after hacienda as they picnic along what they are pleased to call wars for liberty, justice and the square deal.”[Kingmann, Russ. A Pictorial Life of Jack London. New York: Crown, 1979, 253]
Nach dieser Erfahrung wäre also eine Geschichte wie „The Mexican“ nicht mehr möglich gewesen.

Zusammenfassung
Bei der Betrachtung der Werke Londons darf man nicht vergessen, daß für ihn das Schreiben eher ein Beruf war, mit dem er Geld verdienen konnte als eine künstlerische Herausforderung. Bei dem ungeheuren Ausstoß, den er an Reportagen, Kurzgeschichten und Romanen hatte ist es nur verständlich, daß er über Bereiche des Lebens schrieb, in denen er sich auskannte. London war ohne Zweifel ein Boxexperte aber er scheute sich auch nicht die Idee für einen der hier besprochenen Romane einem Freund abzukaufen. Die Handlungen und Figuren der Romane und Kurzgeschichten erscheinen nicht immer ganz plausibel und manchmal sogar unglaubwürdig. Vergleicht man aber den fiktiven Helden Pat Glendon mit Gene Tunney und Muhammad Ali und den ausgehungerten Felipe Rivera mit dem Mexikaner Pipino Cuevas, der 1976 als 18jähriger Profiweltmeister im Weltergewicht wurde schwinden etwaige Zweifel an der Authentizität. Die Beschreibungen der Boxer und der Kämpfer lassen sich kaum von denen in Londons Reportagen unterscheiden. Über Jim Jeffries schrieb er vor dessen Weltmeisterschaftskampf gegen Jack Johnson im Dezember 1910: „His back muscles play in matted masses, while those of the shoulders and biceps leap into a twisted roll at the slightest uplift of the arms. And they are all the right kind of muscles. they are not hard and knotted, like those of the professional strong man and weight lifters. […] Those soft mounds and ridges and rolls are the finest grade and quality of muscle a man can possess.” [Zitiert nach: Irving Shepard (Hg.). Jack London´s Tales of Adventure. Garden City, New York: Hanover House, 1956. 135]
Pat Glendon in The Game wird von seinem Vater folgendermaßen beschrieben:
“`See the softness of him´, old Pat chanted. `Tis the true stuff. Look at the slope of the shoulders, an´the lungs of him. Clean, all clean, to the last drop an´ ounce of him. You´re looking at a man, Sam, the like of which was never seen before. Not a muscle of him bound. No weight-lifter or Sandow exercise artist there. See the fat snakes of muscles a-crawlin´ soft an´ lazy-like.” [London. Abysmal Brute. 79]
Die hier betrachteten Werke Londons ähneln aber nicht nur seinen Reportagen in Stil und Sprache, sie haben auch untereinander zahlreiche Elemente gemeinsam. Alle Helden wollen – allerdings aus unterschiedlichen Gründen – mit dem Boxen aufhören. Alle sind außergewöhnlich talentierte Boxer auch wenn Joe Fleming trotzdem im Ring umkommt und Tom King seine besten Tage hinter sich hat.
In einigen Punkten unterscheidet sich „The Mexican“ von den anderen Werken. Felipe Rivera ist kein gutmütiger, moralisch integerer Mann sondern ein haßerfüllter Mörder. Er hat, im Gegensatz zu den anderen drei Boxern bei London keine Lebensgefährtin. Während Fleming, Glendon und King jedoch mehr oder weniger aus dem Nichts auftauchen erfährt man von den prägenden Einflüssen aus dessen Kindheit.
„The Mexican“ ist eher ein „propagandistic revolutionary tract“ [Oriard. Heroes. 19] In den drei anderen Werken wurden die „essential conflicts in American sport between country and city, youth and age, and masculinity and feminity“ [Oriard. Jack London. 3] thematisiert. Für Michael Oriard ist die Hauptaussage dieser drei Texte dagegen eine andere: „Londons boxing stories proclaim the preeminence of either fate („A Piece of Steak“), chance (The Game), or will (The Abysmal Brute).” [Oriard. Sporting, 241] Dieser Standpunkt ist auch nicht von der hand zu weisen und verdeutlicht zudem den Kontrast zu „The Mexican“.
Man kann Londons Arbeiten vorwerfen, daß viele der Charaktere stereotypisch sind. Man muß jedoch bedenken, daß man dies in der Zeit der ersten Erscheinung wohl nicht so empfand, denn der professionelle Sport fand erst in den 20er Jahren breite Akzeptanz in den USA und erst dann gab es eine größere Menge an Sportliteratur. Folglich waren griff London die Stereotypen die er verwendete, wie den natural oder den alternden Profi nicht auf, wie viele Autoren nach ihm sondern er entwickelte sie neu. Michael Oriard sagt über Londons Boxgeschichten: “His stories have an archetypical quality that appears stereotypical in retrospect, for they have been retold numberless times by countless authirs.“ Oriard. Heroes. 134]
Zuletzt soll noch einmal darauf hingewiesen werden, daß London sehr viel schrieb und dies vor allem, um Geld zu verdienen, also um seine Bücher zu verkaufen. Deshalb tritt neben den künstlerischen manchmal fast gleichberechtigt der Unterhaltungsaspekt. Die Darstellung der Boxkämpfe war mitunter also reiner Selbstzweck und diente nicht unbedingt dazu, eine bestimmte künstlerische Aussage zu unterstreichen. Dies soll jedoch die Bedeutung der hier vorgestellten Werke insbesondere als Wegbereiter für die Boxliteratur des 20. Jahrhunderts keinesfalls schmälern. Andrew Sinclairs Aussage zum unterschätzten Stellenwert Londons in der Literatur trifft den Punkt:
„Those who followed his self-dramatizing style of existence and his short, jerky, bald method of writing, such as Ernest Hemingway, forgot to acknowledge the inventor of the mode, which had more to do with Jack London´s Alaska than the Paris of Gertrude Stein. Jack also got little thanks from Dos Passos or Steinbeck or Kerouac for pioneering the hobo novel in The Road. Norman Mailer has not praised the American writer who, straight from the shoulder, made prizefighting the subject of his best journalism and professional fiction.” [Andrew Sinclair. Jack: A Biography of Jack London. London: Weidenfeld & Nicolson, 1978. 248]
(C) Martin Scheja

Wladimir Klitschko – ein Rückblick

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Vor einem Monat erklärte Wladimir Klitschko seinen Rücktritt. Knapp 21 Jahre lang war er Profiboxer. Die Aufregung hat sich inzwischen gelegt und daher soll hier versucht werden, ihn zu würdigen.
Die nackten Zahlen sind sehr beeindruckend: 69 Kämpfe, 64 Siege, 53 durch KO, 5 Niederlagen, 4 durch KO, Europameister im Schwergewichtler 1999, Weltmeister der WBO von 2000 bis 2003, Weltmeister der IBF von 2006 bis 2015, Weltmeister der WBO von 2008 bis 2015 und Weltmeister der WBA von 2011 bis 2015. Gleichwohl war in den sozialen Medien nach dem Rücktritt von Klitschko eine gewisse Erleichterung spürbar. Lange Jahre flogen sowohl ihm als auch seinem Bruder die Herzen der Fans nur so zu. Zuletzt aber hatten sich viele Fans des Profiboxens von dem in Kasachstan geborenen Ukrainer Wolodymyr Wolodymyrowytsch Klytschko, der sein meistes Geld in der Bundesrepublik verdient hatte, abgewendet.
Klitschkos Problem könnte man das Herold-Johnson-Problem nennen. Herold Johnson (89 Kämpfe, 78 Siege, 33 durch KO, 11 Niederlagen, 2 durch KO) war von 1962 bis 1963 Weltmeister im Halbschwergewicht. Für seine erste Titelverteidigung kam er nach Berlin, wo er am 23. Juni 1962 im Olympiastadion Bubi Scholz nach Punkten besiegte. Johnson war ein großartiger Boxer. Er boxte technisch nahezu perfekt. Perfektion aber ist langweilig. Und daher blieb Johnson die große Zuneigung der Fans verwehrt.
Meiner Auffassung nach hat Wladimir Klitschko in seiner Boxkarriere alles richtig gemacht. Als er Profi wurde, schlug er Angebote aus den USA aus, um in Deutschland, bei Universum Box-Promotion seine Karriere zu starten. Ihm war wohl bewusst, dass er hier umsichtiger aufgebaut würde. Dann kam er aber auch zu einem Trainer, nämlich Fritz Sdunek, der nicht nur selber aus der osteuropäischen Boxschule kam, sondern gleichzeitig auch erfahren war in der Transformation von Amateurboxern zu Profiboxern. – Und so ging es mit seinen Entscheidungen, die stets richtig waren, immer weiter. Er wurde Weltmeister, trennte sich von Klaus-Peter Kohl und vermarktete sich selber.
Je mehr er sich und sein Handeln perfektionierte, desto mehr Hardcoreboxfans verlor er aber. Von sonderlicher Bedeutung war das eigentlich nicht, denn an Stelle der Boxfans kam nun ein Publikum zu ihm, das sich für Boxen nicht interessierte. Damit kamen dann auch Werbeauftritte und diverse erfolgreiche Geschäfte.
Die meisten Hardcoreboxfans wünschen sich Ringschlachten, große Rivalitäten …, sie möchten sehen wie schon verloren geglaubte Kämpfe auf den Kopf gestellt werden u.ä. Sie lieben schlicht Emotionen und Herzblut. Genau das wollte Klitschko aber nicht liefern. Abzulesen ist das an seinem Umgang mit Niederlagen. Am 05. Dezember 1998 verlor er gegen Ross Puritty seinen ersten Profikampf. Wollte er nun einen Rückkampf? Wir wissen es nicht. Jedenfalls fand er nicht statt, sein Bruder boxte am 08. Dezember 2001 gegen Puritty und schlug ihn in der elften Runde KO. Am 08 März 2003 verlor er gegen Corrie Sanders. Am 24. April 2004 wetzte der große Bruder auch diese Scharte wieder aus. – Das ist nicht unbedingt das, was richtige Boxfans sehen wollen. Aber sehr clever war das schon. Einerseits nahm es den psychischen Druck von Wladimir Klitschko. Andererseits zeigte diese Strategie den anderen Boxer auf, dass sie es immer mit zwei starken Brüdern gleichzeitig zu tun haben. Das dürfte nun eine Situation sein, die mancher noch aus seiner Kindheit kennt.
Klitschko wird schon mal vorgeworfen, er hätte sich ja nur deshalb so lange an der Weltspitze halten können, weil seine Gegner so schwach waren – ein Vorwurf, den sich vor ihm auch schon Joe Louis (69 Kämpfe, 66 Siege, 3 Niederlagen, 2 durch KO, Weltmeister von 1937 bis 1950) und Larry Holmes (75 Kämpfe, 69 Siege, 44 durch KO, 6 Niederlagen, 1 durch KO, Weltmeister von 1978 bis 1985) gefallen lassen mussten. Boxer, die über einen langen Zeitraum eine Gewichtsklasse dominieren, bekommen diesen Vorwurf wohl immer zu hören.
Wenn man Klitschkos Kampfrekord aber durchsieht, dann findet man schon auch genug Namen, die beweisen, dass er sehr wohl gegen starke Gegner geboxt hat. Die meisten von ihnen hat er aber auf eine Art und Weise besiegt, die es so aussehen ließ, als seien diese Gegner keine sehr ernst zu nehmenden Herausforderer.
Natürlich gibt es Dinge, die man Klitschko vorwerfen könnte. Ich meine mich beispielsweise zu erinnern, dass er mal angekündigt hat, einen Boxstall und Boxer aufbauen zu wollen. Das geschah aber, zu meinem großen Bedauern, nie.
Das Vorprogramm von Klitschko-Veranstaltungen war oft läppisch. Nur selten gab es mal einen guten Kampf oder einen guten Mann zu sehen. Dem Vorprogramm konnte man im Gegenteil oft genug ansehen, dass es so wenig Geld wie möglich kosten sollte. Aber wer guckt sich schon das Vorprogramm an? Und wieso sollte man Geld aus der eigenen Tasche für Boxkämpfe ausgeben, die von kaum jemandem gesehen werden und sowieso nicht im Fernsehen gezeigt werden? Damit hat Klitschko also, auch wenn es einem nicht gefallen mag, wohl doch wieder mal alles richtig gemacht.
Am Ende seiner Karriere zeigte er aber auch mehrfach Größe. Sein letzter Kampf gegen Anthony Joshua entschädigte für einige doch eher langweilige Kämpfe. Und er zeigte auch damit Größe, dass er auf einen Rückkampf verzichtete. Wer verzichtet schon mal eben auf 30 bis 50 Millionen Dollar?
Wie immer man auch zu Wladimir Klitschko stehen mag. Für sich hat er jedenfalls alles richtig gemacht. Er hat Ruhm, ein sauberes Image, berufliche Zukunftsperspektiven und einen riesen Haufen Geld. Das ist sehr viel mehr als meisten Boxweltmeister haben. Er wird irgendwann unter den Top-Ten aller Zeiten des Schwergewichts geführt werden. Also: alles richtig gemacht.
(C) Uwe Betker

Rezension: “Henry Cooper’s Book of boxing”

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Vorab möchte ich schon mal klarstellen: Das 1982 erschienene Buch von Henry Cooper (55 Kämpfe, 40 Siege, 27 durch KO, 14 Niederlagen, 8 durch KO, 1 Unentschieden) ist vermutlich das beste und intelligenteste Buch, das je ein Boxer übers Boxen geschrieben hat. Zwar steht auf der Rückseite neben dem Preis, es handele sich um eine Autobiographie. Tatsächlich aber ist es doch mehr ein Sachbuch übers Boxen.
Anekdoten hat der große Henry Cooper natürlich auch beizutragen. Immerhin hatte er Muhammad Ali am Boden und am Rand einer Niederlage. Der konnte dann nur noch gewinnen, weil dessen Trainer Angelo Dundee ganz-ganz tief in die Trickkiste, u. z. die schmutzige, griff. Henry Cooper war Britischer Meister, Commonwealth Meister und Europameister im Schwergewicht – und dann sind da natürlich auch noch seine zwei Kämpfe gegen Muhammad Ali.
Aber Cooper ist viel zu uneitel und viel zu sehr Gentleman, um in einem Buch übers Boxen sich selbst in den Vordergrund zu stellen.
Cooper beleuchtet viele Aspekte des Amateur- und Profiboxens (Ausrüstung, Geld, Manager, Matchmaker, Medien, Promoter, Ringrichter, Trainer, Sekundanten, Verbände, Zeitnehmer und vieles mehr. Und gegenüber allem vertritt er eine dezidierte Meinung. So spricht er sich für einen Pensionsfonds für Boxer und für eine Zusammenarbeit von Profis und Amateuren aus.
Wer einen Eindruck bekommen möchte, wieso Henry Cooper noch immer so populär ist in Großbritannien und von Königin Elisabeth II. im Jahr 2000 sogar in den Ritterstand erhoben worden ist, der sollte dieses Buch lesen. Wer etwas über Profiboxen lernen und besser verstehen möchte, wie es funktioniert, der sollte dieses Buch lesen. Aber auch der, der einfach nur gut unterhalten werden möchte, sollte das Buch lesen.
© Uwe Betker

Henry Flakes, eine Schwergewichtshoffnung der 40er Jahre

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Henry Flakes war ein Schwergewichtler, dem man Ende der 1940er Jahren zutraute, ganz nach oben zu kommen. Die Presse feierte ihn als zukünftigen Weltmeister und als besten jungen Schwergewichtler in den USA. Er hatte Potential. Er hatte eine gute Technik, schnelle Beine und einen harten Punch. Kurz: er hatte alles, um den Weltmeisterschaftsthron zu besteigen, aber stattdessen bestieg er den Elektrischen Stuhl.
Am 27.02.1927 wurde Henry David Flakes in Opelika, einer Kleinstadt in Alabama geboren. Aufgewachsen ist er in Chattanooga, Tennessee. Das Boxen lernte er von und mit seinem Vater. Weil sie sich keine Handschuhe leisten konnten, nahmen sie stattdessen mit Lumpen gefüllte Säcke, die sie mit Seilen an den Handgelenken zuschnürten. Der Boxunterricht endete, als Flakes Senior nach einem rechten Cross zehn Minuten ohne Bewusstsein auf dem Boden lag. Flakes log über sein wahres Alter und trat in die Navy ein. Eine Narbe auf seiner Nase erhielt er beim Absturz eines japanischen Flugzeuges auf den Flugzeugträger „Nassau“ bei Pearl Harbor. Flakes sagte später: „das war das einzige Mal in meinem Leben, dass ich KO ging.“
Er kam nach New York, um zu boxen. In seinen ersten Kampf, am 21.01.1947, knockte er den Journeyman Al Rogers in der ersten Runde aus. Da war er noch keine 20 Jahre alt. Er boxte weiter und gewann weiter. Um fürs Publikum interessant zu sein, gewann er auch genug Kämpfe durch KO. Er kämpfte überall in New York State, in New Jersey, in Newark, und war regelmäßig Hauptkämpfer im Memorial Auditorium in Buffalo. Am 04.02.1948 traf er im Armory in Akron, Ohio auf Pat Comiskey, einen Top Ten Boxer. Flakes hatte bis dahin von seinen 19 Kämpfen zwei verloren, einen vorzeitig – er hatte sich das Knie verdreht – und seinen letzten durch eine Punktniederlage. Dieser letzte Kampf, der auch im Armory stattgefunden hatte, war quasi Flakes Eintrittskarte für seinen Kampf gegen Comiskey. Comiskey wurde von The Ring 1947 auf Position vier geführt. Um es kurz zu machen: Flakes besiegte Comiskey einstimmig nach Punkten. Auch den Rückkampf, zwei Wochen später, konnte er für sich entscheiden. Diesmal gewann er durch TKO in Runde 5, nach 2:34 Minuten. Der einzige Boxer, dem es bis dahin gelungen war, Comiskey auch vorzeitig zu besiegen, war Max Baer.
Flakes war kurz vor dem Durchbruch. Am 11.05.1948 bekam er es erneut mit einem Top Ten Boxer zu tun. Er besiegte Lee Oma nach Punkten. Auch den Rückkampf, knapp zwei Wochen später, am 21.05.1948 im Madison Square Garden in New York, gewann er nach Punkten. Oma wurde von The Ring 1949 immerhin auf Platz zwei geführt.
Flakes war mit seinen 21 Jahren auf dem Höhepunkt seiner Karriere, exakt nach einem Jahr und vier Monaten als Profi. Ein WM Kampf gegen Joe Louis war in die Nähe gerückt. Aber der Auftritt im Madison Square Garden sollte „Snow“ Flakes letzter Kampf gewesen sein. Sein Kampfrekord: 27 Kämpfe, 24 Siege, 13 durch KO, 2 Niederlagen. 1 durch KO, 1 Unentschieden

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Flakes hatte ein gesundheitliches Problem. Er hatte Katarakte, also eine Trübung der Augenlinsen, welche auch grauer Star genannt wird. Er war gezwungen das Boxen aufzugeben. Er schlug sich mit schlecht bezahlten Jobs durch, um sich über Wasser zu halten. Er verlor das Augenlicht auf seinem rechten Auge. Die nötige Operation konnte er sich schlicht nicht leisten. Dem Autopsiereport zufolge hatte man ihm seinen Blinddarm entfernt und Haut transplantiert. Operrationen sind und waren in den USA sehr teuer und waren oft verbunden mit der Verabreichung großer Mengen von Drogen. Aber dies sind nur Mutmaßungen darüber, wieso Flakes drogensüchtig wurde. Zwischenzeitlich soll er auch als Automechaniker gearbeitet haben. Das ist das aber nicht verbürgt. Sicher ist nur seine Drogensucht.
Er brauchte Geld und Drogen bzw. Geld für Drogen. Mit einem Partner, Walter Green, überfiel er am 07.11.1958 einen Herrenausstatter in Lackawanna, New York. Ihr Fluchtfahrer Dewitt R. Lee Jr. wartete draußen, mit seiner Freundin, der ehemaligen Lehrerin Beatrice Beckman, die später jedwede Mitwisserschaft abbestritt und als Hauptzeugin der Anklage auftrat. Sie erbeuteten 96 Dollar, was heute ungefähr das Zehnfache wert ist. Zurück blieb der Besitzer Joseph Friedmann. Er war von Flakes erschossen worden.
Alle drei Täter wurden gefasst. Lee, der im Auto gesessen hatte, wurde zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt. Am 06.März 1959 wurden Flakes and Green zum Tode durch den Elektrischen Stuhl verurteilt. Am nächsten Tag wurden beide nach Sing Sing gebracht. Für den 19. Mai 1960 war die Exekution angesetzt. Sie orderten ihre Henkersmalzeiten. Sie duschten. Dann wurden ihnen Kopf und Beine rasiert. Ihnen wurden schwarze Hosen, schwarze Socken, ein weißes T-Shirt und Duschschuhe als Kleidung gegeben. Während ihnen die Haare rasiert wurden, testete der „State Electrician”, also der Henker Dow Hover, den Elektrischen Stuhl.
In Sing Sing fanden die Hinrichtungen traditionell an einem Donnerstag um 11 nachts statt, weswegen diese Tage dann „Black Thursday“ genannt wurden. Flakes orderte für seine Henkersmalzeiten viel und er aß mit sehr großem Appetit. Sein Mittagessen bestand aus: Barbecuehähnchen mit Sauce, Pommes Frites, Salat, Brötchen, Butter, Erdbeerkuchen mit Schlagsahne, 4 Packungen Zigaretten, Kaffee, Milch und Zucker. Zum Abendbrot gab es: Hummer, Salat, Butter, Brötchen, Eiscreme, eine Schachtel Pralinen, vier Zigarren, zwei Gläser Cola, Kaffee, Milch und Zucker.
Flakes ging die „letzte Meile“ lächelnd mit Gefängnispfarrer Father McKinney. Er lächelte alle Zeugen an, schüttelte McKinney die Hand und sagte einfach „thanks…“. Dann setzte er sich, wurde angeschnallt und durch Strom getötet. Die Geschichte, er sei im Kampfmantel zur Hinrichtung gegangen, dürfte eine Legende sein, wenn auch eine schöne. Er war der 608te Insasse von Sing Sing, der auf dem Elektrischen Stuhl sein Leben ließ. Einen Tag später informierte Flakes Familie den Wärter Wilfred Denno, sie hätten nicht das Geld, ihn zu beerdigen. Daher fand Henry Flakes seine letzte Ruhe auf dem „Potter´s Field”, dem Friedhof von Sing Sing.
© Uwe Betker

Die ultimativ subjektive Liste 2016

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Boxer des Jahres
Tyson Fury (25 Kämpfe, 25 Siege, 18 durch KO) boxte 2016 nicht. Er hatte mit psychischen Problemen, Drogen, Alkohol und einem positiven Dopingtest zu tun. Der Weltmeister der WBO und Super Champion der WBA verlor kampflos seine Titel. Aber immer war er in den Medien präsent. Wir dürfen gespannt sein, ob er den Weg zurück in den Ring findet.
Boxer des Jahres (ehrenhalber)
Die Liste der Boxer, die einen zu hohen Preis für ihr Tun bezahlen, wird immer länger. Erst war es Alexander Mengis, der nach seinem Kampf am 23. Mai 2013 in Berlin ins Koma fiel. Nun kam am 18. November 2016 Eduard Gutknecht hinzu. Boxfans, Manager, Veranstalter und Journalisten vergessen gerne, dass Boxen gefährlich ist. Alexander Mengis und Eduard Gutknecht sind die Boxer des Jahres 2016 ehrenhalber.
Boxerin des Jahres
2016 sah ich in Deutschland keine Boxerin, die diesen Titel verdient hätte.
KO des Jahres
Marek Jedrzejewski (11 Kämpfe, 11 Siege, 10 durch KO) boxte am 05.11.2016 in Plettenberg um den Titel des GBU Europameisters im Super Federgewicht. Dabei traf er auf Manuel Buchheit (9 Kämpfe, 8 Siege, 7 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO). Jedrzejewski boxte überlegt und kontrolliert bis in die letzte Runde. Dann stellte Jedrzejewski Buchheit an den Seilen und deckte ihn mit Links-rechts-Kombinationen zum Kopf ein. Buchheit stürzte KO durch die Seile auf den Tisch der Offiziellen.
Schlechteste Veranstaltung des Jahres
Alle Veranstaltungen von großen Promotern, die das Geld nicht wert waren, das die Fernsehsender und die Zuschauer an den Kassen bezahlt haben.
Feiglinge des Jahres
Zwei Schläger bedrohten im Rahmen der Veranstaltung am 04. Dezember in Hamburg den renommierten Boxsportjournalisten Per Ake Persson. Ein Boxer oder eine Boxerin fühlte sich wohl von Persson nicht nett genug behandelt. Der Boxer oder die Boxerin hat erst einmal ein intellektuelles Problem, weil er oder sie meint, Journalisten hätten Hofberichterstatter zu sein. Zum anderen scheint er oder sie auch feige zu sein, weil er oder sie nicht das Gespräch gesucht hat.
Rookie des Jahres
Ein 32-jähriger Boxer soll ein Rookie sein? Ja. Der Schwergewichtler Patrick Korte hat bis jetzt nur 8 Profikämpfe bestritten. Er ist ein Spätberufener. Aber als Typ ist er interessant und als Boxer viel versprechend. Den Rest wird die Zukunft zeigen.
Überschätzter Boxer des Jahres
Erkan Teper (17 Kämpfe, 16 Siege, 10 durch KO, 1 Niederlage) hat am 15.10.2016 in Christian Hammer seinen Meister gefunden. Der Schwergewichtler war und ist die Hoffung von Z!-Promotion. Inwieweit Teper die in ihn gesetzten Hoffnungen aber erfüllen kann, wird sich zeigen.
Überschätzte Boxerin des Jahres
Es gibt sie, aber ich will sie hier nicht mit einer Nennung ehren.
Ringrichter des Jahres
Drei Ringrichter sind mir sehr positiv aufgefallen: Goran Filipovic vom BDB, Thomas Hackenberg von der GBA und Alexander Plumanns von dem FVA.
Absteiger des Jahres (männlich)
Alexander Zastrow und Boris Zastrow, die Besitzer von Z!-Promotion wollten von Deutschland aus das Schwergewichtsboxen erobern. Sie holten sich Hagen Döring als Mastermind, Oktay Urkal als Trainer und drei Schwergewichtler, Erkan Teper, Christian Lewandowski und Franz Rill. Die Dopingskandale um Erkan Teper wurden ausgesessen. Dann kam aber noch der 15.10.2016 und alle drei Schwergewichtler verloren. Lewandowski und Urkal verloren wohl sogar ihren Vertrag. Unbeschädigt blieb nur ein Nicht-Schwergewichtler, nämlich der Weltergewichtler Timo Schwarzkopf (17 Kämpfe, 16 Siege, 9 durch KO, 1 Niederlage).
Absteiger des Jahres (weiblich)
Maria Lindberg (19 Kämpfe, 15 Siege, 8 durch KO, 1 Niederlage, 2 Unentschieden) ist die Nummer sechs im Super Weltergewicht. Dennoch boxte sie in ihrem letzten Kampf am 04. Dezember in Hamburg gegen eine Debütantin, Selma Music aus Kroatien.
Aufsteiger des Jahres
Felix Sturm (48 Kämpfe, 40 Siege, 18 durch KO, 5 Niederlagen, 1 durch KO, 3 Unentschieden) ist aufgestiegen in den Sportolymp, u. z. in den, in dem schon die Großen Lance Armstrong, Ben Johnson und Jan Ullrich sind. Wie vermutlich bei all den oben Genannten enthielten auch die Körperausscheidungen von Sturm Substanzen, die dort nicht hinein gehören.
Aussteiger des Jahres
Der BDB ist zum zweiten Mal von der EBU in ihrer Mitgliedschaft herabgestuft worden. Grund war wohl jeweils der Umgang des BDBs mit Doping. Man könnte die Informationspolitik des BDB gegenüber der EBU als Ausstieg aus der EBU verstehen.
Veranstalter des Jahres
Der Veranstalter des Jahres ist eine Frau, um es noch präziser zu sagen, eine sehr junge Frau. Die erst 14 Jahre alte Ranee Schröder, stellte am 18.12.2016 in Bielefeld einen Box-Frühschoppen auf die Beine. Und es war eine richtig gute Veranstaltung. Ranee Schröder ist wohl der/die jüngste Boxpromoter/in der Welt sein. Hoffen wir, dass sie weiter macht.
Veranstaltung des Jahres
Christoph Jan Jaszczuk (First Punch Boxpromotion) stellte am 05.11.2016 in Plettenberg eine großartige Veranstaltung auf die Beine. Es gab einfach nur richtig gutes Boxen zu sehen. Im Hauptkampf des Abends wurde Marek Jedrzejewski (11 Kämpfe, 11 Siege, 10 durch KO) GBU Europameister im Super Federgewicht.
Boxevent des Jahres
Gab es überhaupt ein gutes großes Boxevent 2016?
Fehlentscheidung des Jahres
Felix Sturm (48 Kämpfe, 40 Siege, 18 durch KO, 5 Niederlagen, 1 durch KO, 3 Unentschieden) gewann am 20.09.2016 seinen Rückkampf gegen Fedor Chudinov (15 Kämpfe, 14 Siege, 10 durch KO, 1 Niederlage). Das wenigstens sahen die Punktrichter Jean-Louis Legland (115:113), Giuseppe Quartarone (115:113) und Ignacio Robles (114:114). Die meisten Boxfans allerdings, sofern sie nicht gerade Felix Sturm Fans waren, sahen das wohl anders.
Trainer des Jahres
Kai Gutmann aus Lemgo hat mit zwei Boxerinnen das Frauenboxen in Deutschland aufgemischt und bereichert: Beke Bas (7 Kämpfe, 7 Siege, 5 durch KO) und Leonie Giebel (11 Kämpfe, 10 Siege, 1 durch KO, 1 Unentschieden).
Entgleisung des Jahres
Doping fängt an, das Profiboxen in Deutschland zu zerstören. Erkan Teper, Felix Sturm und Alexander Povetkin sind 2016 im Zusammenhang mit Doping in Erscheinung getreten. Aber das interessiert offenbar keinen, am wenigsten die Verbände, deren Strafen für Doping nach wie vor geradezu lächerlich sind.
Boxkampf des Jahres (männlich)
Der Kampf zwischen Milos Janjanin und Atilla Kayabasi um den WBU International Titel im Super Leichtgewicht am 21.05.2016 in Dorsten, im Rahmen der zweiten Assassin Fighting Championship. Beide gingen von der ersten Sekunde an ein unglaublich hohes Tempo. Ein Schlagabtausch folgte auf den nächsten. In der sechsten Runde zog sich Kayabasi einen stark blutenden Cut über dem rechten Auge zu. Danach verwandelte sich der klasse Kampf in eine geradezu epische Ringschlacht, die Atilla Kayabasi schließlich nach Punkten für sich entscheiden konnte.
Boxkampf des Jahres (weiblich)
Es fand kein wirklich großer in Deutschland statt, oder ich habe weder von ihm gehört noch habe ich ihn gesehen.
Comeback des Jahres (männlich)
Markus Bott ist wieder da. Der ehemalige Weltmeister im Cruisergewicht nach Version WBO trainiert seit kurzem Vincent Feigenbutz.
Comeback des Jahres (weiblich)
Habe ich übersehen.
Bester Show Act des Jahres
Troy Afflick, ein unglaublich guter Soulsänger, sang mehrfach beim Box-Frühschoppen von Ranee Schröder in Bielefeld. – Eine super Stimme.
Boxer, der einen WM-Kampf verdient (männlich)
Der Cruisergewichtler Noel Gevor (22 Kämpfe, 22 Siege, 10 durch KO) ist vermutlich der Boxer von Sauerland Event mit dem größten Potential. Er ist WBO International Champion und die Nummer 22 der unabhängigen Weltrangliste.
Boxer, der einen WM-Kampf verdient (weiblich)
Die Super Federgewichtlerin Leonie Giebel (11 Kämpfe, 10 Siege, 1 durch KO, 1 Unentschieden) dürfte reif für eine WM sein. Sie hat zwar keinen richtigen Punch, dafür hat sie aber eine gute boxerische Grundausbildung. Mit ihren 24 Jahren hat sie noch viele Jahre vor sich.
Boxer, der zu Unrecht übersehen wird
Der Schwede Adrian Grant (14 Kämpfe, 14 Siege, 13 durch KO) ist zurzeit der vielversprechendste unter den in Deutschland boxenden Schwergewichtlern. Und er ist erst 25 Jahre alt. D.h. für einen Schwergewichtler ist er noch richtig jung. In der unabhängigen Weltrangliste wird er bereits auf Position 27 geführt.
Boxerin, die zu Unrecht übersehen wird
Die erst 22 Jahre alte Leichtgewichtlerin Beke Bas (7 Kämpfe, 7 Siege, 5 durch KO) ist eine Kriegerin und so boxt sie auch.
Boxkampf, den wir 2017 nicht sehen wollen (männlich)
Laut Internet-Gerüchteküche ist ein Aufeinandertreffen von Felix Sturm (49 Kämpfe, 40 Siege, 18 durch KO, 5 Niederlagen, 1 durch KO, 3 Unentschieden) und Arthur Abraham (50 Kämpfe, 45 Siege, 30 durch KO, 5 Niederlagen, 1 durch KO) geplant. Vor fünf Jahren wäre das ein Weltklassefight gewesen, jetzt, fürchte ich, ginge es nur noch ums Kasse-Machen. Außerdem stellt sich noch eine moralische Frage: Soll man Boxer, die doch wohl des Dopings überführt sind, auch noch mit einer vermutlichen Millionenbörse belohnen?
Boxkampf, den wir 2017 nicht sehen wollen (weiblich)
Es soll da eine Boxerin in Deutschland geben, eine Weltmeisterin, die angeblich in ihren letzten sechs Titelkämpfen, in den letzten drei Jahren, keine Frau mit einem positiven Kampfrekord geboxt hat.
Boxkampf, den wir 2017 sehen wollen (männlich)
Wladimir Klitschko (68 Kämpfe, 64 Siege, 53 durch KO, 4 Niederlagen, 3 durch KO) vs. Anthony Joshua (18 Kämpfe, 18 Siege,18 durch KO) – Eventuell werden wir den Kampf auch zu sehen bekommen, den wir wollen. Der Gewinner dürfte dann der neue oder der alte Herrscher über das Schwergewicht sein.
Boxkampf, den wir 2017 sehen wollen (weiblich)

Bis jetzt kam es immer noch nicht zum Rückkampf zwischen Christina Hammer (21 Kämpfe, 20 Siege, 9 durch KO) und Anne Sophie Mathis (33 Kämpfe, 27 Siege, 23 durch KO, 4 Niederlagen, 12 durch KO). Wir erinnern uns noch mit Entsetzen an Ringrichter Manfred Küchler und daran, dass Hammer den Kampf nicht durch KO verlor. Nun wird es langsam Zeit, denn Mathis ist bereits 39 Jahre alt und sie hat ihren letzten Kampf gegen Cecilia Braekhus durch TKO in Runde 2 verloren.
© Uwe Betker

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31. Dezember 2016 at 23:59

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Vom Schreiben übers Boxen

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Beim Profiboxen ist es wie bei anderen Sportarten auch. Verbände, Vereine, Veranstalter und Sportler möchten von der Presse wahrgenommen werden. Sie möchten, dass über sie berichtet wird. Vor allem möchte sie natürlich, dass positiv über sie berichtet wird. Den Verbänden, Vereinen, Veranstaltern und selbst den Sportlern geht es nämlich häufig nicht um den Sport, sondern vielmehr ums Geld. Man kann den Begriff Geld auch z.B. ersetzen durch TV-Verträge, Werbeverträge, Sponsoren usw. Und wenn es nicht ums Geld geht, dann geht es um Posten, Einfluss und Wichtigkeit. Dementsprechend wollen alle eine positive Berichterstattung.
Die Sportredaktionen sind voll von Kollegen, die Fußballspezialisten und Allrounder sind. Aufgrund der Struktur der Medien können Verbände, Vereine, Veranstalter und Sportler recht sicher sein vor einer kritischen Berichterstattung. Einige Kollegen schrecken, nicht nur aus zeitökonomischen Gründen, vor „heißen Themen“, mit denen man sich unbeliebt machen kann, zurück. Wer unangenehm auffällt, könnte nämlich eventuell seinen Platz am Ring verlieren, nicht mehr das gewünschte exklusive Interview oder die Einladung zur After-Show-Party bekommen.
Es gibt die etwas zynische Definition des Sportjournalisten als eines Fans, der es auf die andere Seite des Zauns geschafft hat. Diejenigen, die es auf besagte andere Seite des Zauns geschafft haben, sind denjenigen, die mit Sport Geld verdienen, die liebsten. Fans sind nämlich häufig unkritisch. Fans haben über eine längere Zeit eine leidenschaftliche und emotionale Beziehung zu ihren Fanobjekten. Fans möchten in der Regel eine Berichterstattung, die ihrer Heldenverehrung Nahrung gibt. Fans möchten nicht, dass ihre Helden schaden nehmen. Und so kommt es, dass, wie beim Fußball, auch beim Boxen kaum jemand etwas von der Seuche Doping wissen will.
Beim Boxen sind die Sitten etwas rauer, als bei anderen Sportarten. So lauern schon mal irgendwelche Schläger Journalisten auf, um diese dann zu bedrohen. Ein Kopfgeld ist auch schon mal auf einen unliebsamen Journalisten ausgesetzt worden. Da sind dann Drohanrufe, die Verweigerung der Akkreditierung, Hausverbote oder die Streichung aus dem Presseverteiler noch zivilisierte Arten, mit Kritik umzugehen.
Hinzu kommen Kommentare in den sozialen Netzwerken von Personen, die sich berufen fühlen, etwas oder jemanden vor Kritikern zu schützen. Reaktionen dieser Art sind meist wie monosynaptische Reflexe. Es wird über den „Schreiberling“ gelästert, es wird ihm dann mangelnde Kompetenz oder fehlende Information vorgeworfen. Konkret wird nur selten auf Kritik geantwortet. Meist reicht den Verteidigern der Verweis auf mangelnde Detailkenntnisse oder noch besser, schwebende Verfahren, über die man sich nicht äußern könne.
Genau dies trifft den Zeitgeist. In den sozialen Medien werden Menschen von anderen, die sich oft hinter Pseudonymen verstecken, beleidigt und bedroht. Gerne fällt auch mal das Wort „Lügenpresse“. Denen, die dieses Wort so gerne benutzen, ist es dabei offensichtlich egal, dass dies ein Lieblingswort der Nationalsozialisten war, mit dem sie gegen Demokraten, Juden und Kommunisten hetzten.
Es gibt sie aber auch: die Intelligenten und die Vernünftigen. Damit meine ich diejenigen, die verstehen, dass, wenn hier Kritik geübt wird, es um die gemeinsame Sache geht, nämlich um den Boxsport. So ist es mir auch schon wiederholt passiert, dass Personen, die ich kritisiert hatte, später Freunde wurden. Denn es gibt ein gemeinsames Ziel: ein gutes Profiboxen.
Journalismus wird oft als vierte Gewalt im Staat bezeichnet, weil er zur öffentlichen Meinungsbildung beiträgt. Damit ist auch gesagt, dass es nicht die Aufgabe des Journalisten ist, Verbänden, Veranstaltern und Sportlern nach dem Mund zu reden, deren PR-Abteilung zu sein und dafür zu sorgen, dass sie wohlhabender werden und sich wohl fühlen. Vielmehr ist es seine Aufgabe, durch eine kritische Berichterstattung zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen.
© Uwe Betker

Über den Umgang mit Doping

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Immer wenn ein Dopingfall bekannt wird und ich hier etwas darüber bringe, dann bekomme ich jedes Mal mehr oder weniger dieselben Mails und Kommentare. Inhaltlich geht das immer in die gleiche Richtung. „Lass doch mal gut sein.“ „Das schadet doch nur dem Sport.“ „Alles nicht so schlimm.“ „Das ist eine Kampagne gegen XY.“ Wenn man das dann so liest, könnte man schon auf die Idee kommen, dass Doping doch gar nicht weiter schlimm ist.
Sieht man sich auch mal Lance Armstrong, den unumstrittenen Weltmeister der Doper, an, dann kann man wirklich den Eindruck gewinnen, Doping ist völlig harmlos. Es geht doch nur um ein paar Meter, um ein paar Sekunden, die einer schneller ist als ein anderer. Es kommt nicht wirklich jemand zu Schaden. Und dem Zuschauer ist doch letztlich egal, ob der eine oder andere Fahrer als erstes durchs Ziel fährt.
Die Haltung nahezu sämtlicher Sportverbände der Welt scheint da ähnlich zu sein. Doping ist lästig, aber irgendwie auch nicht schlimm. Kein Deutscher will auch etwas über Doping im Fußball wissen. Unsere Jungs machen so etwas einfach nicht. Die schöne heile Fußballwelt darf nicht kaputt gemacht werden. Die Verbände wollen offenbar auch gar nicht gegen Doping vorgehen.
Das ist ein Standpunkt, den man sich natürlich zu Eigen machen kann. Ist man nicht gerade Fan, dann ist es wirklich egal, ob jemand einen Zentimeter weiter springt, eine zehntausendstel Sekunde schneller ist oder meinetwegen auch, wer Weltmeister wird. O.K. Nur, dass Boxen nicht wie andere Sportarten ist, wo das eben egal ist.
Boxen ist nicht wie andere Sportarten. Beim Boxen geht es, brutal gesprochen, darum, den Gegner mit der Faust gegen den Kopf zu schlagen. Bei diesem Schlag wird das Gehirn nach hinten, also Richtung hintere Schädeldecke, geschleudert. War es ein richtig guter Schlag, dann schießt die Gehirnflüssigkeit, die das Gehirn als Polster umgibt, nach vorn, Richtung Stirn, und das Gehirn prallt ungepolstert an die hintere Schädeldecke. Die Folgen sind kleine und große Gehirnerschütterungen. Die führen zu chronischen und irreversiblen Schäden. Das nennt sich dann CTE (chronisch traumatische Enzephalopathie), Punch Drunken (Dementia pugilistica), Depressionen, Psychosen, Parkinson, völlige Demenz und vorzeitiger Tod.
Beim Boxen geht es also eben nicht um ein paar Zentimeter oder ein paar Millisekunden. Beim Boxen geht es um Leben und Tod. Das bringt die Sache dann auf eine Ebene von Täter und Opfer. Über die Opfer wollen wir aber nicht so gerne reden, womit wir sie zum zweiten Mal zum Opfer machen. Dem Täter, wenn er sich hat erwischen lassen und es nun mal gar nicht anders geht, klopft der Verband dann mal auf die Finger und sperrt ihn für ein paar Monate. Danach macht eben dieser Täter munter weiter, zum Teil dopt er auch weiter. Das haben wir hier in Deutschland wohl schon erlebt.
Stellen wir uns vor: Ein Profiboxer steigt in den Ring. Er ist selbstbewusst. Er ist davon überzeugt, dass es hier darum geht, sein Können und seine Kraft mit einem Gegner zu messen. Der boxt mehr oder weniger in der gleichen Gewichtsklasse und mit gleichen Mitteln, nämlich mit Boxhandschuhen und Bandagen. Wären nur das die Ausgangsbedingungen, so würde bei einem Boxkampf derjenige gewinnen, der härter trainiert hat, der der bessere Boxer ist und der mit seinen Fähigkeiten am besten umgehen kann. Aber das passiert genau nicht, wenn einer der beiden gegnerischen Boxer ein Betrüger ist und gedopt hat.
Schauen wir nun auch auf die Opfer und nicht auf die Täter. Schauen wir auf den Fall David Price. Price galt 2012 als der kommende Schwergewichtler. Er war der ungeschlagene britische Meister und Commonwealth Meister. Dann traf er im Februar 2013 auf Tony Thompson, der seinen letzten Kampf gegen Wladimir Klitschko verloren hatte. Price nahm in der zweiten Runde eine Rechte zum Kopf, ging runter und kam wieder hoch. Aber der Ringrichter nahm ihn aus dem Kampf. Dies war die erste Niederlage für Price.
Direkt in seinem nächsten Kampf, am 06.07.2013, wollte Price die Scharte auswetzen und trat erneut gegen Thompson an. Price schlug seinen Gegner in der zweiten Runde zu Boden. Nun suchte er den KO. Auch in der dritten Runde standen beide Kontrahenten Fuß an Fuß und deckten sich mit Schlägen ein. Price wurde müde, Thompson nicht. Ende der fünften Runde ging Price zu Boden, nachdem er mehrere Körperhaken und einen Aufwärtshaken nehmen musste. Und das war dann auch das Ende des Kampfes. Thompson war in diesem Kampf gedopt.
Man kann sagen: Price ging KO, weil Thompson ein Betrüger ist und gedopt war. Das hilft aber dem Boxer nicht, der die Niederlage verkraften muss. Er wechselte zu Sauerland und gewann vier Kämpfe in Folge. Dann traf er am 17.07.2015 auf Erkan Teper und ging Anfang der zweiten Runde KO. Wieder war sein Gegner gedopt. Vollkommen absurd, dass Teper bereits in seinem Kampf gegen Newfel Ouatah, vom 13.06.2014, positiv getestet worden war.
Wir können sehr sicher sein, dass Price nicht gegen Teper geboxt hätte, hätte er gewusst, dass der ein überführter Doper ist. Aber Tepers Doping wurde der Öffentlichkeit nicht mitgeteilt und seine Sperre war so kurz, dass sie gar nicht auffiel.
Man kann nur darüber spekulieren, wo Price heute stehen könnte, hätte er diese beiden Kämpfe gegen Doper nicht bestritten oder hätte er sie gewonnen. Er ist 33 Jahre alt und die Zeit läuft im weg. Ob er jemals einen WM Kampf bekommen wird, das ist sehr die Frage.
Klar kann man sagen: Was interessiert mich ein David Price? Es geht hier aber nicht um Price als Person. Price steht für all die Boxer, die fair kämpfen und die von einem Gegner, der betrügt, um den Lohn ihrer Arbeit gebracht werden. Genau darum geht es nämlich, den Lohn. Jeder Preisboxer hat für seine Profession nur eine bestimmte Zeit zur Verfügung. Er muss versuchen, so weit wie möglich zu kommen und so gut wie möglich für seine Zukunft und die Zukunft seiner Frau und seiner Kinder, zu sorgen.
Ein dopender Boxer verschafft sich deshalb nicht nur einen illegalen Vorteil, sondern er beschädigt die Karriere eines anderen, nämlich eines fair agierenden Boxers. Und mehr noch. Er zerstört dadurch womöglich dessen gesamte Zukunft und die Zukunft der Kinder seines Opfers.
Doping ist eine Seuche. Es handelt sich genau nicht um Einzelfälle. Man muss sich nur einmal eine beliebige Liste der Dopingfälle im Boxen heraussuchen – wohlgemerkt, es gibt Verbände die das Doping ihrer Mitglieder nicht anzeigen, manche meinen sogar, es vertuschen zu müssen. Es gibt auch nicht überall Trainingskontrollen, was dem Doping Tür und Tor öffnet. Hinzu kommt, dass neuen Dopingmittel, noch gar nicht auf der Liste der verbotenen Substanzen stehen. Und entsprechende Testverfahren hinken der Entwicklung der Mittel hoffnungslos hinterher.
Die folgenden Namen findet man auf Wikipedia unter „Doping cases in boxing”:
Mikhail Aloyan
Rosendo Álvarez
Chris Arreola
Dennis Bakhtov
Raymundo Beltrán
Andre Berto
Mickey Bey, Jr.
Francois Botha
Shannon Briggs
Lucas Browne
Lucian Bute
Mariano Natalio Carrera
Julio César Chávez Jr.
Andrzej Fonfara
Ali Funeka
Kid Galahad
Yuriorkis Gamboa
Juan Carlos Gómez
Joan Guzmán
Greg Haugen
Evander Holyfield
Lloyd Honeyghan
Guillermo Jones
Roy Jones Jr.
Vitali Klitschko
Mehrullah Lassi
J’Leon Love
Enzo Maccarinelli
Brian Magee
Ricardo Mayorga
Jameel McCline
John Molina Jr.
Érik Morales
Tommy Morrison
Shane Mosley
David Munyasia
Anoushiravan Nourian
Michael O’Reilly
Fres Oquendo
Luis Ortiz
Eloy Pérez
Lamont Peterson
Frankie Randall
Brandon Ríos
Luis Román Rolón
Omar Niño Romero
Orlando Salido
Sam Soliman
Felix Sturm
Johnny Tapia
Antonio Tarver
Erkan Teper
Tony Thompson
Juho Tolppola
James Toney
Félix Trinidad
Manuel Vargas
Fernando Vargas
Mariusz Wach
Manju Wanniarachchi
Pernell Whitaker
Dillian Whyte
Jez Wilson
Das Problem mit Doping ist: Den Einen ist es egal und die Anderen wollen nichts tun. Für die meisten nationalen und internationalen Verbänden ist Doping ein Thema, mit dem sie sich nur ungern oder gar nicht beschäftigen mögen. Juristisch ist Dopern in der Regel nicht beizukommen. Wie kann man einen Schaden, der entstanden ist, in einer Schadensersatzklage beweisen. Bestreitet man einen Ausscheidungskampf, dann hat man ja den Kampfvertrag für die WM und die Werbeverträge nach einer gewonnenen WM noch nicht in der Hand.
Kein Boxer kann in zehn oder zwanzig Jahren beweisen, dass er den Hirnschaden, an dem er leidet, gerade in dem Kampf erlitten hat, bei dem sein Gegner betrogen/gedopt hatte. Wir sind wieder da angekommen, wo wir angefangen haben. Beim Boxen geht es um Leben und Tod, Gesundheit und Krankheit und um Geld und kein Geld.
Müssen wirklich erst ein paar Tote im Ring rum liegen, erschlagen von gedopten Betrügern, bevor das Problem Doping im Boxen ernst genommen wird?
© Uwe Betker

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12. November 2016 at 23:59

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Die ultimativ subjektive Liste 2015

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Boxer des Jahres 2015
Tyson Fury (25 Kämpfe, 25 Siege, 18 durch KO), der neue Weltmeister der WBO und Super Champion der WBA, hat alles richtig gemacht. Er kam nach Deutschland, um zu gewinnen und nicht, wie viele vor ihm, nur um sich eine Börse abzuholen. Er hatte einen Plan und den zog er erfolgreich durch. Im Vorfeld des Kampfes machte er alles, um in das Gehirn von Wladimir Klitschko zu kriechen. Er nutzte jede Gelegenheit, ihm immer wieder zu zeigen: „Ich bin nicht berechenbar!“ Er und sein Team kümmerten sich um jedes Detail und gingen keiner Konfrontation aus dem Weg. Jedes Detail war wichtig: die Passform der Handschuhe, die Härte des Ringbodenbelags … Dass er auf alles achtete, das war wiederum etwas, womit er den Titelverteidiger auch gründlich nerven konnte. Vor allem hatte Fury einen simplen Kampfplan: Klitschko lang boxen, schnelle Beine und schnelle Hände. Sobald er Klitschko seinen Kampf aufzwingen konnte, sah der alt und planlos aus, was er wohl auch war. Es war kein schöner Kampf, aber Fury war erfolgreich, und der Erfolg gibt ihm schließlich Recht.

Boxer des Jahres 2015 (ehrenhalber)
Alexander Mengis boxte am 23. Mai 2013 in Berlin um die Internationale Deutsche Meisterschaft der GBA im Weltergewicht. Sein Gegner hieß Stefan Worth. Es war der fünfte Kampf des Stuttgarters. Erst einen Kampf vorher, am 18.11.2012, hatte er diesen Titel gewonnen. Gegen Worth ging er in der achten Runde schwer KO und fiel ins Koma. Es hat dann wohl eine Notoperation gegeben. Heute lebt Mengis irgendwo als Pflegefall. Alexander Mengis steht für den brennenden Wunsch aller Boxer und Boxerinnen, mit dem, was sie tun, Geld und Ruhm zu erringen. Er steht aber auch dafür, dass das Profiboxen, das wir alle so lieben, sehr gefährlich ist. Eine Tatsache, die immer und immer wieder von allen Beteiligten und Zuschauern vergessen wird. Um das Bewusstsein dafür wach zu halten, möchte ich Alexander Mengis zum Boxer des Jahres 2015 ernennen – ehrenhalber.

Boxerin des Jahres
Nicole Wesner (11 Kämpfe, 11 Siege, 5 durch KO) wurde am 06.09.2015 in der Markthalle in Wismar Weltmeisterin der WBF, WIBF und der GBU im Leichtgewicht. Sie besiegte Irma Balijagic Adler klar nach Punkten. Damit ist sie in Deutschland die Beste im Leichtgewicht und in der Welt unter den Top Ten.

KO des Jahres
Am 14.08.2015 verlor Marco Huck (42 Kämpfe, 38 Siege, 26 durch KO, 3 Niederlagen, 2 durch KO, 1 Unentschieden), in Newark, New Jersey, gegen den nicht sehr hoch eingeschätzten Krzysztof Głowacki (25 Kämpfe, 25 Siege, 16 durch KO) durch KO in Runde 11 nach 2.39 Minuten. Głowacki brachte einen linken Haken an die Schläfe und dann eine Rechte mitten auf die Stirn – und Huck ging zum ersten Mal in dieser Runde zu Boden. Er kam zwar wieder hoch, war aber doch sichtlich angeschlagen. Głowacki setzte nach. Mit einem rechten und einem linken Körperhaken, gefolgt von einem linken Kopfhaken sowie einem Volltreffer mit links auf die Schläfe knockte er Huck schließlich aus. Aber Huck musste, bevor er zuletzt zu Boden sackte, noch einen rechten Wischer und drei linke Kopfhaken nehmen. Ringrichter David Fields brach den Kampf dann ab, um Huck, der zwar schon KO war aber durch die Seile vor dem Fall zu Boden noch gehindert wurde, vor weiteren Schlägen zu schützen – klassischer KO. Huck hat durch den KO jetzt ja wohl einen TV-Vertrag bei RTL bekommen.

Schlechteste Veranstaltung des Jahres
Alle Veranstaltungen von großen Promotern, die das Geld nicht wert waren, das die Fernsehsender und die Zuschauer an den Kassen bezahlt haben.

Rookie des Jahres (männlich)
Gerade mal 17 Jahre ist Leon Bauer (5 Kämpfe, 5 Siege, 4 durch KO), der Löwe aus der Pfalz. Der Super Mittelgewichtler hat zwar bis jetzt nur gegen sogenannte Aufbaugegner geboxt, aber die waren klug ausgesucht und nicht die schlechtesten. Wir dürfen gespannt sein, was er in den nächsten Jahren noch so zeigen wird.

Rookie des Jahres (weiblich)
Die von Kai Gutmann trainierte Leichtgewichtlerin Beke Bas (4 Kämpfe, 4 Siege, 3 durch KO) ist die Entdeckung des Jahres im Frauenboxen. Die 21-Jährige hat Talent, einen gewissen Punch und eine gute Technik. Vor allem hat sie aber ein Kämpferherz: Eine Boxerin, die man im Auge behalten muss.

Überschätzter Boxer des Jahres
Habe keine schlüssige Antwort.

Überschätze Boxerin des Jahres
Alicia Melina Kummer (9 Kämpfe, 8 Siege, 7 durch KO, 1 Niederlagen), die ehemalige Miss Schleswig Holstein, versuchte sich im Profiboxen. Zum Teil spektakuläre KOs überdeckten ihre technischen Mängel. Die wurden ihr dann aber am 31. Oktober 2015 in Hamburg, im Universum Gym, von Derya Saki (8 Kämpfe, 8 Siege, 4 durch KO) aufgezeigt. Die Leichtgewichtlerin ist damit für zu leicht befunden worden.

Ringrichter des Jahres
Rosario Triolo vom BDB. Der älteste deutsche Boxverband in Deutschland ist nicht nur die Heimat von Ringrichtern wie Manfred Küchler, die es wohl nicht ertragen können, wenn ein Heimboxer verliert; daher tun sie alles, wohl wirklich alles, um das zu verhindern. Der Bund Deutscher Berufsboxer ist ein eingetragener Verein, dessen Führung in stalingradhafter Treue zu Männern wie Küchler steht. Aber es gibt hier auch einen Ringrichter wie Rosario Triolo, einen jungen Mann, der offensichtlich das Ziel verfolgt, Boxkämpfe einfach nur zu leiten bzw. deren Ergebnis durch eine Punktwertung widerzuspiegeln.

Absteiger des Jahres (männlich)
Der ehemalige Weltmeister im Mittelgewicht Felix Sturm (48 Kämpfe, 39 Siege, 18 durch KO, 5 Niederlagen, 1 durch KO, 3 Unentschieden) verlor seinen IBF-Titel am 31.05.2014 gegen Sam Solimann. Danach erreichte er gegen Robert Stieglitz, am 08.11.2014, noch ein Unentschieden. Seine letzte Begegnung, einen WM-Kampf der WBA, verlor er am 05.06.2015 in Frankfurt/Main gegen Fedor Chudinov auch. Ausbeute: Ein Unentschieden und zwei Niederlagen. Eigentlich wollte er am 05. Dezember in einem Rückkampf gegen Chudinov antreten. Sein TV-Sender SAT.1 wollte ihm dafür angeblich nur einen Sendeplatz wie Culcay, also nach den zwei Spielfilmen anbieten. Das dürfte wohl seiner Einschaltquote geschuldet sein. Nun boxt er am 20.02.1016 in Oberhausen.

Absteiger des Jahres (weiblich)
Es gibt da eine in Deutschland boxende Frau, die sich Weltmeisterin nennt. In ihrem letzten WM-Kampf traf sie auf eine Gegnerin, die von ihren letzten sechs Kämpfen fünf verloren und im sechsten ein Unentschieden erreicht hatte. Das wurde ernsthaft als WM sanktioniert. Den Namen nenne ich hier nicht, weil ich versprochen habe, ihn nie wieder zu schreiben.

Aufsteiger des Jahres (männlich)
Die Karriere von Samy Raid Musa (9 Kämpfe, 9 Siege, 7 durch KO) dürfte nach seinem letzten Kampf Schwung bekommen haben. Er besiegte am 28.11.2015, auf der Undercard von Klitschko vs. Fury, den ungeschlagenen Jay Spencer (11 Kämpfe, 10 Siege, 7 durch KO, 1 Niederlage).

Aufsteiger des Jahres (weiblich)
Derya Saki (8 Kämpfe, 8 Siege, 4 durch KO) hat mit ihrem Sieg über Alicia Melina Kummer (9 Kämpfe, 8 Siege, 7 durch KO, 1 Niederlagen) gezeigt, dass mit ihr im Leichtgewicht zu rechnen ist.

Aussteiger des Jahres
Der 2015 sportlich nicht ganz so erfolgreiche ehemalige Weltmeister im Mittelgewicht Felix Sturm (48 Kämpfe, 39 Siege, 18 durch KO, 5 Niederlagen, 1 durch KO, 3 Unentschieden) entzog für seinen letzten Kampf dem dienstältesten und renommiertesten Boxsportjournalisten Deutschlands, Hartmut Scherzer seine Akkreditierung. Der hatte sich in einem Vorbericht nämlich kritisch über ihn geäußert. Die Presseabteilung von Sturm-Box-Promotion hatte es über Monate vor dem Kampf nicht geschafft, die Legitimität der zu boxenden WM zu kommunizieren. Natürlich ist es schwer, mit Kritik umzugehen. Aber eine Person des öffentlichen Lebens, die von der Öffentlichkeit lebt – und das tut Felix Sturm ja schließlich -, sollte mit Kritik doch souveräner umgehen können. Veranstalter, die hingehen und unliebsamen Journalisten die Akkreditierung verweigern oder entziehen oder sie mit Hausverboten belegen, respektieren einfach nicht die Pressefreiheit. Die Pressefreiheit ist ein Grundrecht und eine der Säulen einer demokratischen Gesellschaft – und die gilt es zu verteidigen.

Veranstalter des Jahres
Der Hamburger Holger Petersen hat 2015 dreimal in der Boxsporthalle Braamkamp in Hamburg veranstaltet. Petersen, ein Unternehmer aus Hamburg, von dem man wenig weiß, hat einfach angefangen, gute und solide Boxveranstaltungen zu organisieren. Man kann nur hoffen, dass er weitermacht und noch besser wird.

Veranstaltung des Jahres
„Kingsvillage Beatdown“ im Foyer des Abtei Gymnasiums in Pulheim (12.12.2015) war für mich die beste Veranstaltung des Jahres. Wenn man sich diese Veranstaltung von Bihes Barakat anschaut und mit denen vergleicht, die von Veranstaltern mit TV-Verträgen organisiert werden, kann man sich nur fragen: Wieso gibt es auf einer „Kleinringveranstaltung“ besseres Boxen zu sehen als bei den Großen?

Boxevent des Jahres
Keines jedenfalls, das ich gesehen hätte. Das kann allerdings auch damit zu tun haben, dass ich bei dem einen Veranstalter Hausverbot habe, von einem anderen schriftlich bekommen habe, niemals eine Akkreditierung zu bekommen und von einem dritten immer nur sehr höfliche Ablehnungen kriege, auch wenn dort sonst jeder Pressevertreter rein kommt.

Fehlentscheidung des Jahres
Der Punktsieg von Vincent Feigenbutz (22 Kämpfe, 21 Siege, 19 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO) gegen Giovanni De Carolis (29 Kämpfe, 23 Siege, 11 durch KO, 6 Niederlagen, 1 Unentschieden). Die Punktrichter Erkki Meronen, Jesus Morata Garcia und Jean-Francois Toupin sahen offenbar einen anderen Kampf als die Zuschauer in der Halle und an den Fernsehgeräten. Alle drei gaben Feigenbutz den Sieg. Selbst wenn man als Punktrichter so etwas wie einen Heimvorteil geben will und sich vielleicht auch dem Veranstalter verpflichtet fühlt, weil der einen ja bezahlt, darf dabei m. E. doch höchstens ein geschenktes Unentschieden rauskommen. Ich hoffe aufrichtig, dass Erkki Meronen, Jesus Morata Garcia und Jean-Francois Toupin in den nächsten zehn Jahren nicht mehr in Deutschland punkten.

Trainer des Jahres
Die Qualität eines Trainers kann nicht an seinen TV-Auftritten, sondern nur an seiner Arbeit gemessen werden. Wer durch die Republik fährt und sich Trainings ansieht, der wird schnell feststellen, dass es hierzulande viele gute Trainer gibt, Trainer, deren Hauptaugenmerk auf der Ausbildung ihrer Boxer liegt. Hier eine kurze Liste guter Trainer: Manni Faber, Stefan Freudenreich, Sini Ivanisevic, Steven Küchler, Kai Gutmann, Frank Lubitz, Rüdiger May, Youssef Ramadan und Michael Siegel. Das sind jetzt nur die, die mir gerade spontan eingefallen sind. Ich habe einige vergessen. Entschuldigung!

Entgleisung des Jahres
Im letzten Jahr war Vincent Feigenbutz (22 Kämpfe, 21 Siege, 19 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO) hier noch „Rookie des Jahres (männlich)“. Inzwischen wurde er Interim Champion der WBA im Super Mittelgewicht. In seinem letzten Kampf, am 17.10.2015, gegen einen soliden aber nicht sehr starken Giovanni De Carolis (29 Kämpfe, 23 Siege, 11 durch KO, 6 Niederlagen, 1 Unentschieden) gewann er zwar nach Punkten, sein eigenes Publikum aber sah in seiner Heimatstadt den Italiener als Sieger und tat dies auch kund. Feigenbutz sah das aber ganz anders. Er sah sich selbst als klaren Sieger und dann sprach er davon, seinem Gegner die Fresse polieren zu wollen – wirklich kein guter Stil.

Boxkampf des Jahres (männlich)
Der Kampf zwischen Yusuf Kangül (10 Kämpfe, 7 Siege, 2 durch KO, 1 Niederlage, 1 Unentschieden) und Tiran Metz (18 Kämpfe, 12 Siege, 6 durch KO, 1 Niederlage, 4 Unentschieden) im Super Mittelgewicht ist ein Klassiker. Zwölf Runden lang schenkten sich die beiden, die offensichtlich eine gepflegte, dafür aber tiefe gegenseitige Abneigung verbindet, nichts. Wenn ein Fighter und ein Techniker aufeinandertreffen, ist das immer wieder ein Erlebnis. Am Ende der knappen Europameisterschaft der WBU sollte eigentlich ein klarer Punktsieger stehen, aber einige Zuschauer verhinderten, dass ein Urteil gefällt werden konnte. Bis heute steht das offizielle Urteil des Kampfes vom 19.12.2015 aus.

Boxkampf des Jahres (weiblich)
Am 07.11.2015 verlor Özlem Sahin (20 Kämpfe, 19 Siege, 6 durch KO, 1 Niederlage) gegen Gretchen Abaniel (24 Kämpfe, 16 Siege, 6 durch KO, 8 Niederlagen, 1 durch KO) ihre WM-Titel im Minimumgewicht. Sahin fand zu keinem Zeitpunkt vor heimischem Publikum in den Kampf, daher fightete sie. Es war ein sehr enger Kampf, den man auch knapp für Sahin oder als Unentschieden hätte werten können. In der Tat hatte ein Punktrichter Abaniel mit zwei Runden vorne und ein anderer Sahin. Aber der BDB-Punktrichter Jürgen Langos wertet 91:99 für Abaniel. Keine Ahnung, weshalb er das machte. Auf jeden Fall war es ein großartiger Kampf.

Comeback des Jahres (männlich)
Ahmet Öner ist wieder – oder besser – immer noch da. Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, veranstaltete er 2015 neun Shows, davon 2 in der Türkei und eine in den USA. Zurzeit hat er keinen Boxer unter Vertrag, der (oder die) die Phantasie der breiten Boxöffentlichkeit anregen könnte. Aber er lässt seine Boxer arbeiten und hofft, dass sich einer von ihnen durchsetzt.

Comeback des Jahres (weiblich)
Alesia Graf (32 Kämpfe, 27 Siege, 12 durch KO, 5 Niederlagen), die ehemalige Weltmeisterin im Super Fliegengewicht und Super Bantamgewicht, kassierte 2014 zwei Niederlagen in Folge, jeweils in WM Kämpfen, nachdem sie 2013 gar nicht geboxt hatte. Im letzten November stieg sie gegen die Ungarin Marianna Gulyas (34 Kämpfe, 13 Siege, 2 durch KO, 21 Niederlagen, 12 durch KO) nun wieder in den Ring und gewann durch KO in Runde 2.

Bester Show Act des Jahres
Tyson Fury mit seinem Sieges-Liebes-Lied.

Boxer, der einen WM-Kampf verdient (männlich)
Der Leichtgewichtler Zapir Rasulov (30 Kämpfe, 30 Siege, 28 durch KO) boxte bisher in Deutschland, in der Schweiz (1 Mal), in Panama (4 Mal) und in den USA (2 Mal). Der Charlottenburger ist die Nummer 11 der WBA-Rangliste. Er hat eine KO Quote von 90%. Muss man noch mehr sagen?

Boxer, der einen WM-Kampf verdient (weiblich)
Lucia Morelli (25 Kämpfe, 19 Siege, 9 durch KO, 5 Niederlagen, 3 durch KO) boxt im Super Leichtgewicht. Alle ihre fünf Niederlagen kassierte sie im Ausland bei WM-Kämpfen, also im Wohnzimmer ihrer Gegnerinnen. Sie unterlag Cecilia Braekhus, Myriam Lamare, Delfine Persoon (zweimal) und Klara Svensson. Morelli verdient es, einmal vor heimischem Publikum einen WM Kampf bestreiten zu können.

Boxer, der zu Unrecht übersehen wird
Agron Dzilla (24 Kämpfe, 23 Siege, 18 durch KO, 1 Niederlage), der in der Schweiz lebende Cruisergewichtler aus Mazedonien, stahl am 21.03.015 auf der Sauerland Veranstaltung in Rostock allen, Jürgen Brähmer, Vincent Feigenbutz, Timo Schwarzkopf, Denis Boytsov, Stefan Härtel und Orhan Davis, die Show. Sein Kampf gegen Bernard Adie dürfte der beste Kampf des Abends gewesen sein. Dzilla gewann klar nach Punkten und damit den Titel der Global Boxing Union, aber einen Vertrag gewann er nicht.

Boxkampf, den wir 2016 sehen wollen (männlich)
Jack Robert Culcay-Keth (22 Kämpfe, 21 Siege, 10 durch KO, 1 Niederlage), genannt Jack Culcay, alias Golden Jack, ist Interims Champion der WBA im Super Weltergewicht. Er wird gerne als eine der deutschen Boxhoffnungen für eine Weltmeisterschaft vermarktet. Schön wäre es, wenn er und sein Management, Sauerland Event, sich dazu entschließen könnten, auch unter Beweis zu stellen, dass er der beste deutsche Super Weltergewichtler ist. Dafür müsste er aber schon gegen Besar Nimani (21 Kämpfe, 20 Siege, 16 durch KO, 1 Niederlage, 1 durch KO) antreten. Den Kampf will wohl jeder sehen.

Boxkampf, den wir 2016 sehen wollen (weiblich)
Bis jetzt kam es nicht zum Rückkampf zwischen Christina Hammer (19 Kämpfe, 18 Siege, 8 durch KO) und Anne Sophie Mathis (32 Kämpfe, 27 Siege, 23 durch KO, 3 Niederlagen, 1 durch KO). Wir erinnern uns: Der BDB Ringrichter Manfred Küchler, der immer noch gerne von seinem Verband eingesetzt wird, sorgte mit seinem ganzen Können dafür, dass die Mittelgewichtlerin Hammer den Kampf nicht durch KO verlor. Wenn nun Hammer, was wir auch schon etwas verstehen könnten, nun nicht mehr gegen Mathis antreten will, so könnte sie aber doch wenigstens gegen die Super Mittelgewichtlerin Nikki Adler (14 Kämpfe, 14 Siege, 8 durch KO) antreten.
© Uwe Betker

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31. Dezember 2015 at 23:59

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Über Erkan Teper, BDB, Doping und Betrug

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Nach Recherchen des Bayerischen Rundfunks hat der Ahlener Profiboxer Erkan Teper (14 Kämpfe, 14 Siege, 9 durch KO) juristische Probleme. Er soll bei zwei internationalen Kämpfen positiv auf Doping getestet worden sein. Sowohl bei seinem letzten Kampf, am 17.07.2015, gegen den Engländer David Price als auch beim Aufeinandertreffen mit dem Franzosen Newfel Ouatah, am 13.06.2014, war er positiv getestet worden. Beides waren Europameisterschaftskämpfe der EBU.
Gegen den 33-jährigen Teper ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft München. Gegenüber dem Sportinformationsdienst (sid) bestätigte die Staatsanwaltschaft dies. „Bei der Staatsanwaltschaft München I sind derzeit zwei Ermittlungsverfahren gegen Herrn Teper wegen des Verdachts des unerlaubten Besitzes von Arzneimitteln in nicht geringer Menge zu Dopingzwecken im Sport anhängig“, so ein Sprecher der Behörde. „Die Verfahren gehen auf zwei Mitteilungen der NADA über das Ergebnis von Dopingkontrollen beim Beschuldigten zurück, die hier Anfang Juli 2014 bzw. Mitte August 2015 eingegangen sind.“
Es soll im April diesen Jahres Durchsuchungen gegeben haben. Dabei sollen in Tepers Auto und in seinem Hotelzimmer in der Sportschule Vitalis im Bayerischen Wald verschiedene verbotene Substanzen (Clenbuterol, Testosteron, Wachstumshormone und Metandienon) gefunden worden sein.
Was diese Nachricht zu einem Skandal macht, ist nicht die Tatsache, dass Teper einmal bewiesen und einmal vermutlich gedopt hat, sondern der Umgang der anderen Beteiligten damit. Dass Tepers Veranstalter Z!-Promotion bis jetzt keine Stellungnahme abgegeben hat, ist verständlich, aber nicht gerade mutig. Teper will sich bis jetzt auch nicht äußern – ebenfalls verständlich. Interessant ist aber das Verhalten des BDB.
Betrachten wir einmal die Rolle des Bundes Deutscher Berufsboxer e.V. näher. Es beginnt damit, dass Teper am 13. Juni 2014 gegen Ouatah Europameister wird. Vier Wochen später erhielt der BDB einen positiven Dopingbefund. Der Europameister „wurde angeschrieben, reagierte nicht und verzichtete offenbar auf die Öffnung der B-Probe. Er wurde neun Monate gesperrt,“ so Thomas Pütz, Präsident des ältesten deutschen Verbandes. Hier fängt es an: Der BDB geht nicht etwa hin und lässt das Ergebnis des Kampfes annullieren. Da stellt sich doch die Frage: Hat der BDB eigentlich die European Boxing Union über das Doping informiert? Sollte er das nämlich nicht getan haben, so wäre das ein eklatanter Verstoß gegen die Regeln.
Die Geschichte hat aber auch noch eine Fortsetzung. Der Hoffnungsträger der Z!-Promotion Erkan Teper, Boxstall von Alexander Zastrow und Boris Zastrow, ist auf einmal geständig und reuig. Davon gerührt und um andere Boxer abzuschrecken, wurde die Sperre auf sechs Monate reduziert und Tepers Doping nicht öffentlich gemacht. Die Reduzierung der Sperre ermöglichte es dem Hauptprotagonisten dieser ekligen Geschichte, am 14. März 2015 gegen Johann Duhaupas um den Intercontinental Titel der IBF zu boxen.
Danach kämpfte Teper dann erneut um den EBU Titel. Er besiegte am 17. Juli 2015 gegen David Price, der bei Sauerland Event unter Vertrag ist. – Z!-Promotion hatte vorher noch gejubelt, weil sie Sauerland bei der Kampfversteigerung überboten hatten. – Teper wurde wieder positiv getestet. Was weiter passierte, beschreibt der Präsident den BDB Thomas Pütz: „Wieder reagierte Teper auf unsere Schreiben nicht, sich zu äußern, die B-Probe öffnen zu lassen. Deshalb wurde er am 9. Dezember vom BDB für ein Jahr gesperrt. Es wurde beantragt, den Kampf gegen Price als ’no contest‘ zu werten.“
Pütz erklärt also, dass Teper sage und schreibe 145 Tage (in Buchstaben: einhundertfünfundvierzig Tage) nach dem Kampf gesperrt wurde. Das sind viereinhalb Monate. War der BDB nicht fähig, Teper eine zeitnahe Frist zu setzen? Pütz betont, dass man Teper für ein Jahr gesperrt hat. Das nenne ich mal eine richtig abschreckende Strafe für einen Wiederholungstäter! Soweit ich informiert bin, sieht die EBU da eine zweijährige Sperre vor. Aber, da Teper ja wohl erst zum zweiten Mal erwischt worden ist und er beim ersten Mal auch so schön reuig war, kann man wohl Milde walten lassen. Pütz hat irgendwie vergessen zu erwähnen, wann die Sperre in Kraft treten soll. Denn, tritt sie schon mit Erhalt des Befundes in Kraft, dann hat Teper die Hälfte der Sperre schon um. Pütz sagt weiter, der Price-Kampf solle als „no contest“ gewertet werden. Da fragt sich aber, wann der BDB denn der EBU von dem positiven Dopingbefund berichtet hat. Wie mir erst vor kurzem erzählt worden ist, hat der BDB die EBU bis heute noch gar nicht unterrichtet. Das wiederum wäre dann aber ein gravierender Verstoß gegen die Regeln. Auch stellt sich mir noch die Frage, warum eigentlich das Ergebnis des Kampfes gegen Newfel Ouatah nicht in ein „no contest“ geändert worden ist?
Interessant an der ganzen Geschichte ist, dass das Doping von Teper erst öffentlich wurde, nachdem es der Bayerischen Rundfunk veröffentlichte. Der BDB ging nicht im Juli 2014 an die Öffentlichkeit und sagte: Teper hat gedopt. Der BDB ging auch nicht im August 2015 an die Öffentlichkeit und sagte: Teper hat schon wieder gedopt. Da kann man den Eindruck bekommen, dass der BDB entweder vergessen hat, die Öffentlichkeit zu informieren, oder vielleicht wollte er das auch einfach nicht. Das wiederum könnte den Verdacht aufkeimen lassen, dass der BDB die Dopings verheimlichen wollte.
Wer dopt betrügt – das ist jedenfalls meine Meinung. Wenn sich jemand durch unerlaubte Mittel einen Wettbewerbsvorteil verschafft, so nenne ich das Betrug. Erkan Teper hat Newfel Ouatah „betrogen“ und er hat es vermutlich auch gegen David Price gemacht. Bei beiden steht jetzt eine Niederlage im Kampfrekord. Beide hätten nach einem Sieg über Teper andere und lukrativere Angebote bekommen. Es geht hier also schlicht um Geld und um die Existenz von zwei Boxern und deren Familien. Der BDB hat nichts dafür getan, dass das Unrecht, was Duhaupas erfahren hat, wieder Gut gemacht wurde. Das nenne ich Beihilfe zum Betrug.
Sauerland Event, der Veranstalter von David Price, der ja von Teper „betrogen“ worden ist, kündigte schon an, juristische Schritte gegen Erkan Teper, Z!-Promotion und den BDB prüfen zu lassen. Gleichzeitig will sich Price selber auch einen Anwalt nehmen, um gegen die oben Genannten gegebenenfalls juristisch vorzugehen.
Eine zentrale Frage lautet: Wann wurde die EBU vom BDB über die positiven Dopingergebnisse informiert? Wenn die EBU nicht sehr zeitnah nach dem Erhalt der Ergebnisse informiert worden ist, dann kann das doch wohl als Beweis dafür gewertet werden, dass der BDB das Doping von Teper vertuschen wollte. Wenn dem nun wiederum so ist, dann muss m. E. Thomas Pütz und die ganze BDB-Führung zurücktreten. Es kann ja schließlich nicht sein, dass ein Verband einen Dopingsünder und dessen Betrügereien schützt bzw. dadurch stillschweigend gutheißt. Aber auch wenn der BDB die EBU zeitnah informiert haben sollte, bleibt immer noch die Frage, weshalb der BDB die Dopingvergehen von Teper nicht öffentlich gemacht hat.
© Uwe Betker

Fernsehen und Boxen in Deutschland

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Wenn eine deutsche Fernsehanstalt über eine Debatte im Deutschen Bundestag oder über die Kurse an der Börse oder über einen spektakulären Prozess berichten möchte, dann tut sie das – und sie tut das, ohne dafür Geld zu zahlen. Will dieselbe Fernsehanstalt nun aber über Sportveranstaltungen berichten, z. B. Bundesligafußball oder Profiboxen, dann muss sie die bezahlen. M.E. erwirbt der Zahlende dadurch aber natürlich auch Rechte an dem gekauften Produkt und knüpft an den Kauf Erwartungen.
Das Fernsehen zahlt Millionenbeträge für Sportrechte. Das schafft dann auch einen Legitimierungsdruck, aus dem sich Fragen ergeben: War es denn richtig, einen Vertrag abzuschließen mit diesem oder jenem Promoter? Ist es überhaupt vorstellbar, dass ein Fernsehreporter sich auf diesem Hintergrund zu sagen traut, bei dem folgenden Kampf handele es sich um eine schlechte Kampfansetzung, die ihr Geld nicht wert ist? Wohl kaum! Der TV Sportreporter hat schließlich nicht nur die Aufgabe, über die Veranstaltung zu berichten, sondern er muss sie verkaufen. Der Journalist hört hier auf, Berichterstatter zu sein, er wird zum Verkäufer.
Gleichzeitig gilt es, die Wünsche und Erwartungen der Zuschauer zu bedienen. Eine Berichterstattung wollen die allerdings meist gar nicht, sondern mehr Fan-TV – zumindest beim Fußball. Sie wollen vor allem nicht, dass ihr Lieblingsclub vom Moderator schlecht geredet wird. Von Seiten der TV-Sender sollte man hier nun zumindest Neutralität erwarten. Man kann sich allerdings schon auch fragen, ob eine solche Neutralität überhaupt möglich ist bei den Erwartungen und Summen, die da im Spiel sind. Dass dieses Spannungsfeld existiert, ist unbestritten.
Was die Erwartungen von Fußballzuschauern betrifft, so können wir uns schon ein ziemlich genaues Bild machen. Die Frage, die sich hier nun stellt, ist, was die Zuschauer wohl von einer Übertragung von Profiboxveranstaltungen erwarten?
Ich möchte nämlich behaupten, dass sich die Zuschauer, die sich im Fernsehen Fußball und die, die sich Boxen anschauen, unterscheiden. Damit möchte ich nicht gesagt haben, dass es sich dabei nicht um dieselben Zuschauer handeln könnte. Die Mehrzahl derjenigen, die sich Fußball anschauen, sind Fußballfans, die ihre Lieblingsclubs und ihre Lieblingsspieler haben – und sie bringen auch ein gerüttelt Maß an Fachwissen mit. Demgegenüber haben zwar die Zuschauer von Boxveranstaltungen auch Lieblingsboxer, aber sie interessieren sich in der Regel nicht fürs Boxen allgemein oder für ein Boxen jenseits der übertragenen Veranstaltung. Dementsprechend ist es mit dem Fachwissen dieser Zuschauer auch nicht sehr weit her. Profiboxen wird von der Mehrzahl der Fernsehzuschauer als Event angesehen und als solches auch konsumiert.
Wenn man akzeptiert, dass ein großer Teil der Zuschauer Boxen als ein Event ansieht und die emotionale Bindung an einzelne Boxer nur gering ist, dann könnte man daraus m.E. aber auch die Konsequenz ziehen, den Zuschauern auch gutes Boxen zu bieten. Es ist doch schließlich gar nicht nötig, Boxer, die sowieso kaum jemand kennt, mit einfachen Gegnern zu füttern, nur damit der Veranstalter einen Weltmeister mehr unter Vertrag hat.
In der Süddeutschen Zeitung war unlängst der Vorwurf zu lesen – wieder mal bezogen auf den Fußball -, manche Sportjournalisten seien Fans, die es hinter die Absperrung geschafft hätten. Damit sollte ihre mangelnde Distanz, Neutralität und Kritikfähigkeit beschrieben werden. Wir erinnern uns auch noch daran, wie Journalisten dafür Schelte bekamen, dass sie, für die meisten der Fans an den Fernsehgeräten und auch für ihre Kollegen, Jürgen Klopp und Per Mertesacker zu forsch interviewt hatten. Immerhin wird aber beim liebsten Sport der Deutschen wenigsten hin und wieder noch kritisch nachgefragt. Beim Boxen dagegen gibt es kaum Journalisten, die auch selbst Fans des Sportes sind, und nur sehr wenige sind Experten. Das merkt man dann der Berichterstattung auch an.
Wieso müssen eigentlich alle Journalisten immer Allrounder sein, mit dem Anspruch, über alle Sportarten alles zu wissen? Dabei täte eine Spezialisierung sowohl der Branche als auch der Sportart gut. Fachleute könnten die Fernsehsender immerhin davor bewahren, teures Geld für schlechte und mittelmäßige Veranstaltungen auszugeben. Dadurch könnten dann die TV-Sender auch vielen Kritiken ihrer Arbeit die Spitze nehmen. Ich bin persönlich davon überzeugt, dass die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten auch heute noch Boxen zeigen würden, hätten sie in der Vergangenheit nicht gefühlt so viele schlechte und unnötige Hauptkämpfe gezeigt, Fehlentscheidungen schön geredet und bekannt hörige und devote Punktrichter akzeptiert.
Mehr Fachleute unter den Journalisten könnten die Berichterstattung verändern. Wir wissen, dass Sportjournalismus seinen Ursprung nicht in der Motivation hat, kritisch oder gar investigativ zu berichten. Die Tour de France war schließlich vor allem eine Marketingidee einer Sportzeitung von 1903. Der Kicker und die Fußballwoche waren auch schon die offiziellen Organe des Verbandes. Ähnlich sieht es auch im Boxsport aus. Nur wenn man auch etwas von dem Sport versteht, kann man angemessen darüber berichten und ist unabhängig von Pressemappen und von den Einschätzungen der Trainer, Boxer und Veranstalter.
Zugegeben, eine etwas kritischere Berichterstattung ist zum einen zeitaufwendiger und zum anderen auch mit gewissen Risiken verbunden. Viele deutsche Veranstalter sind dünnhäutig und reagieren auf Kritik nicht gerade souverän. Als Journalist findet man sich dann schnell schon mal hinter einer Säule sitzend oder ganz hinten. Akkreditierungsanträge werden abgelehnt. Zur After-Show-Party wird man nicht mehr eingeladen. Man fliegt aus dem Presseverteiler. Man wird nicht mehr gegrüßt und man bekommt keine Interviewtermine mehr oder sogar gleich Hausverbot. Kurz gesagt, dünnhäutige Veranstalter versuchen kritische Journalisten von Informationsquellen abzuschneiden und für vermeintliches Fehlverhalten zu bestrafen. Das ist alles unbequem.
Trotzdem entscheiden letztlich die Sender selber über die Qualität von TV-Boxveranstaltungen. Dessen sollten sie sich auch bewusst werden und danach handeln.
© Uwe Betker

Written by betker

20. Dezember 2014 at 23:59

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